TEMESWAR
| TIMIȘOARA
LASS DIE STADT DURCH DICH ERSTRAHLEN!
„Temeswar erlebt jetzt das Schönste, was einer Stadt
widerfahren kann... Sie haben die Mission, die Stadt in eine Bühne
zu verwandeln.“ Das gab der rumänische Staatspräsident
Klaus Johannis der Kulturhauptstadt mit auf den Weg.
Folgend nach 2007 in Sibiu / Hermannstadt schmückt sich mit Timișoara
/ Temeswar erneut eine rumänische Stadt mit dem Titel Kulturhauptstadt
Europas. Diese große Aufgabe und Ehre teilt sich die Hauptstadt
des Banats und drittgrößte Stadt Rumäniens 2023 mit
Veszprém / Weißbrünn in Ungarn und
Elefsina / Eleusis in Griechenland. Die Universitäts-
und Industriestadt Temeswar mit seinen heute 300.000 Einwohnern begleitet
eine wechselvolle Geschichte. Ausgehend von der Stadtgründung im
Mittelalter, über die osmanische bis zur habsburgischen Herrschaft,
den Veränderungen während der ungarischen Verwaltung bis hin
zu den Entwicklungen im heutigen Rumänien. An die 15.000 alte Gebäude
haben der Stadt den Beinamen „Das kleine Wien“
eingebracht. Timișoara ist zudem die Stadt der Freiheit. Hier startete
nämlich 1989 die Revolution gegen den Diktator Nicolae Ceausescu.
An die Tradition eines bunten und vielfältigen Lebens der Stadt
anknüpfend, die verschiedenen Konfessions- und Sprachgruppen spiegelnd,
darf die Diversität das Motto der Gestalter des Kulturhauptstadtprogramms
„Lass die Stadt durch Dich erstrahlen!“ – „Luminează
orașul prin tine!“– „Shine your light!
Light up your city!“ mit vielen Themen auf den Punkt bringen.
Das seit Jahrhunderten dominierende Erbe der k. u. k. Zeit ist nicht
zu übersehen, vor allem nicht zu überhören, denn neben
Rumänen bevölkern viele Deutsche, Tschechen, Slowaken, Ungarn,
Bulgaren, Serben und Roma die Stadt. Temeswar, im Dreiländereck
Rumänien-Ungarn-Serbien, hinterlässt sichtbare architektonisch
Spuren aus der K.u.k-Zeit, als die Region noch zu Österreich-Ungarn
gehörte. Ab dem 18. Jahrhundert gehörten das Banat, die Bukowina,
Siebenbürgen und Maramuresch zum Habsburgischen Reich, Gebiete
des heutigen Rumänien. Der Stolz der Temeswarer auf ihren Ort beruht
auch darauf, 1884 die erste europäische Stadt mit elektrischer
Straßenbeleuchtung gewesen zu sein.
TARZAN UND DIE DEUTSCHRUMÄNEN
Johann Peter Weißmüller, US-amerikanischer Schwimmer, Wasserballspieler,
fünfmaliger Olympiasieger und Filmschauspieler, gelangte nach dem
Ende seiner Schwimmlaufbahn-Karriere – der Unbesiegte –
als der Tarzan-Darsteller in zwölf Kinofilmen zu noch größerer
Weltberühmtheit. Johnny Weissmüller wurde 1904 in Freidorf, dem
späteren Timișoara in Rumänien geboren. Obwohl seine
Eltern, die Donauschwaben aus Österreich-Ungarn, mit dem sieben
Monate alten Buben in die USA auswanderten, gilt der Tarzan-Held bis
heute als großer Sohn der Stadt Temeswar. Die Banater Region hat
aber auch große Töchter hervorgebracht. Hertha Müller,
deren Familie zur deutschen Minderheit in Rumänien gehörte,
wurde als Banater Schwäbin geboren. Die Schriftstellerin thematisiert
in ihren Werken die Folgen der kommunistischen Diktatur in Rumänien.
2009 wurde Herta Müller der Nobelpreis für Literatur verliehen.
KAKANIENS KUNST
Ein anderer großer Sohn des Landes, Victor Brauner, der 1903
als Sohn jüdischer Eltern im heutigen Moldawien, damals Königreich
Rumänien, das Licht der Welt erblickte, wichtiger Surrealist der
Zwanziger und Dreißiger des 19. Jahrhunderts, geriet nahezu in
Vergessenheit. Die Kulturhauptstadt Europas 2023 – Timișoara
– widmete Victor Brauner deshalb eine große Ausstellung,
vom Pariser Centre Pompidou kuratiert. Dieses Pariser Museum nennt die
größten Bestände des Malers sein Eigen. Allein vierzig
Hauptwerke wurden zu den insgesamt siebzig offiziellen Ausstellungsstücken
in den elf Sälen des Nationalmuseums Timișoara beigesteuert.
Der Weg des geborenen Rumänen zum Wahlfranzosen ist ein bewegter.
Während der blutigen Bauernaufstände in Moldawien müssen
die Brauners 1907 fliehen. Es verschlägt sie für mehrere Jahre
nach Hamburg. Mit Beginn des Balkankriegs 1912 geht die Familie Brauner
für weitere Jahre nach Wien, wo der junge Maler Deutsch lernt.
Immer wieder „nach Hause“ zurückgekehrt verbringt er
aber in Folge den Großteil seines Lebens im Exil – bei den
Künstlern in Paris, zu jener Zeit Europas Maler-Metropole und Schmelztiegel
vieler innovativer und kreativer Immigranten, wo Victor Brauner zu seiner
künstlerischen Höchstform auflief.
BILD zu Kakaniens Kunst: Victor Brauner | Selbstporträt
| Painted from Nature | 1937
AUTOR: Prof. Ali Meyer
QUELLE: Temeswar
| Kulturhauptstadt Europas 2023
BILDER: © Ali Meyer | Historisches
Archiv | issued by IN VINO VERITAS
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