Donnerstag, den 21. November 2024

DER KONGRESS TANZT

Die Welt schaute nach Wien. Während Napoleon um seine Macht kämpfte, verhandelten Europas Potentaten unter der Führung des Staats- und Conferenz-Minister Klemens Wenzel Lothar von Metternich in Wien über Europas Verhältnisse. Der k.k.Feldmarschal Charles Joseph de Ligne merkte – in variierend kolportierten Zitaten unter anderen bekanntlich an: „Le congrès danse, mais il ne marche pas.“ („Der Kongress tanzt, aber er bewegt sich nicht.“). Die Spitzenpolitiker der Teilnehmer tauchten in ein pralles Leben ein, spielten die politischen Ereignisse zuerst nur eine Nebenrolle. Die Hofgesellschaften Europas überboten sich in Überfluss bei Jagden und rauschenden Ballnächten, vertrieben sich die Zeit mit Amouren. Europas Monarchen und ihre Diplomaten samt einer nach Zehntausenden zählenden Entourage gaben Wien ihre Aufwartung. Beim Wiener Kongress – 18.09.1814 bis 08.06.1815 – da hetzten innerhalb guter acht Monate an die 1000 Diplomaten samt ihren Unterhändlern aus 100 Delegationen, aus rund 200 europäischen Staaten, Herrschaften, Körperschaften und Städten, nur zu oft von Bett zu Bett, von Ball zu Ball, nicht immer vorrangig von Konferenz zu Konferenz.

Trotz des ausgeprägten Amüsier-Faktors ordneten die Monarchen und ihre Diplomaten, Adelige und diverse Strippenzieher, Europa nach den napoleonischen Kriegen neu – mit der Wiener „Congreß-Acte“ vom 9. Juni 1815. Sie wurde von acht Königen und Kaisern unterzeichnet. Sie besiegelte die Form des neuen Europas dieser Zeit, brachte gewisse Stabilität. Das System hielt immerhin 100 Jahre. Das Nachhaltigste jedoch war die Schaffung und die endgültige Festlegung diplomatischer Rangstufen. Diese verbindliche Ordnung wurde zur Grundlage für den diplomatischen Verkehr, die bis heute Gültigkeit hat.

Die unzähligen Festveranstaltungen galten aber nicht bloß als Vergnügen des Kongresses, sondern bildeten die Plattform für einen Teil des Verhandlungsgeschehens. Heute würde man das Networking am Corso nennen, verzaubert mit Tanz und Musik, begleitet von erstklassiger Kulinarik und hervorragenden Weinen – im Gesamten eine sehr reiche Thematik.

BILD: © Ali Meyer | „Congreß-Acte“ 1815 | Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien

IN VINO VERITASDER KONGRESS TANZT
ALLES WALZER
DIE WIENER BALLSAISON

Was ist wo los? Im unteren DER KONGRESS TANZT-LEITFADEN » findet man Historisches und Internationales – über die Tradition der Wiener Ballsaison – Multikulturelles – und noch eine Menge Überraschendes.



OPERNBALL – DAS FEST DER FESTE

VOM TANZ UM DIE MACHT BIS ZUM STAATSBALL

Der Wiener Kongress von 1814/1815 gilt seit mehr als 200 Jahren als ein bedeutendes historisches Ereignis. Ich möchte das für diesen Bericht aber nicht aus politischer Sicht verstanden wissen. Sich eine Ballnacht um die Ohren zu schlagen hat natürlich einen gesellschaftlichen Aspekt. Dieser darf aber gerne vorrangig der Musik und der Kulinarik gewidmet sein – kein Tanz um die Macht, sondern ein Tanz zum reinen Vergnügen. Das mag beim Opernball in Wien alleine in dieser Form nicht ganz zutreffen, denn er ist – der Staatsball der Republik Österreich. Sicherlich wird hier keine neue Congreß-Acte entstehen, wird bei der internationalen Klientel – Staatsoberhäupter, gekrönte Häupter, Hochadel, Politiker, Diplomaten, Unternehmer, Künstler, Sportler und andere Berühmtheiten bzw. solche die sich dafür halten – neben wunderbaren Gesprächen und Tänzen, zumindest etwas politisches Kleingeld gewechselt. Der Opernball gilt als der gesellschaftliche Höhepunkt des Faschings in Wien. Traditionell findet er im Februar in der Wiener Staatsoper statt. Das Tanzbein zu schwingen ist eine Sache, dabei zu sein um zu sehen – vor allem aber, um gesehen zu werden ist die andere Sache – vermutlich die Hauptsache. Du darfst in diesem entsprechenden Rahmen deine Orden tragen, falls du welche hast.

BALL BEI HOF vs. HOFBALL IN WIEN

Im Gegensatz zu dem nur der Hocharistokratie vorbehaltenen Ball bei Hof nahmen am Hofball in den Redoutensälen alljährlich bis zu 3.000 Personen teil. Das Aquarell von Wilhelm Gause zeigt Kaiser Franz Joseph I. von Österreich 1900 auf dem „Hofball in Wien“, um den Beginn des neuen 20. Jahrhunderts zu feiern.

OPERNBALL

Die Ausschreibung vom 10.07.1860 für den Bau des k. k. Hof-Operntheaters legte bereits fest, daß das Opernhaus „auch zur Abhaltung von Opernbällen bestimmt“ sei. Doch erst am 11.12.1877 veranstaltete der damalige Direktor Franz Jauner in Anlehnung an den Pariser Opernball als „Opernsoirée“ bezeichnete öffentliche Tanzveranstaltungen. Dem eigentlichen Ball ging ein Konzert des Hofopernorchesters voraus, bei dem sich als Gastdirigent Johann Strauß offenbarte. Am 02.03.1878 wurde erstmals eine „Opernredoute“ veranstaltet, die sich bis zur Jahrhundertwende – nur mehr mit dieser Bezeichnung – als Standard behauptete. Nach doch sehr langer Pause feierte die Opernredoute erst 1924 eine erfolgreiche Rückkehr. Der von da an jährlich abgehaltene Opernball musste durch den laufenden Zweiten Weltkrieg 1940 vorerst abgesagt werden. Durch die fast gänzliche Devastierung des Gebäudes im März 1945 fehlten, neben wahrlich anderen Sorgen in dieser Zeit, zudem die räumlichen Voraussetzungen für ein Fest dieser Größenordnung. Nach dem gänzlichen Wiederaufbau fand der erste Opernball wieder am 09.02.1956 statt, und seither wird an der Tradition – auch an dem Termin am letzten Donnerstag vor dem Aschermittwoch – kontinuierlich festgehalten. In diesem Sinne durfte das Ballfest auch heuer am 08.02.2024 dem Publikum seine Bühne bieten. *1

DIE CHOREOGRAPHIE DER BÄLLE

„When nothing goes right go left“. Ich meine man muss den Dingen des Lebens ins Auge sehen und wenn es notwendig ist soll man improvisieren. Wien hat eine weltberühmte Balltradition. Jeder Ball folgt einer bestimmten Choreographie, zumindest nach Thomas Schäfer-Elmayer: „Erst kommen die Debütanten herein. Dazu erklingt die Polonaise in A-Dur von Frédéric Chopin. Dann stellen sich die Paare zum Spalier auf. Durch dieses Spalier spazieren die Ehrengäste herein. Sie werden von Märschen begleitet und meistens mit Fanfaren begrüßt. Die Ehrengäste nehmen auf dem Podium Platz. Dann beginnt die Eröffnung. Die Debütanten tanzen die Fächer-Polonaise. Nach der Elmayer-Tradition tanzen sie sie in je vier Gruppen nebeneinander und rücken dabei langsam nach vorne. Vor den Ehrengästen tanzen sie einen Kompliment nach links, dann nach rechts. Daraufhin formieren sie sich zum Eröffnungstanz. Das kann jedes Jahr ein anderer Tanz sein, mal eine französische Polka, mal ein Marsch, ein Walzer oder ein Menuett. Es folgen die Ansprachen. Auf die Ansprachen folgt der Wiener Walzer, der meist nur 30 bis 40 Sekunden dauert. Dann folgt der berühmte Satz: 'Alles Walzer'“.

OPERNBALL – WEIN & KULINARIK

„Hat Sie die Schrittfolge etwas aus der Fassung gebracht? Dann stellen sie sich einfach einen Weinkarton mit sechs köstlichen Flaschen vor, um den sie geschmeidig herumtanzen. Noch immer zu kompliziert?„ Bei der 64. Ausgabe des Wiener Opernballs gab es zum Beispiel Wein der Österreichischen Traditionsweingüter – ÖTW, 10 Weine, die exklusiv für den Weingenuss der 5000 Gäste verantwortlich waren. Das traditionsreiche Wiener Weingut Wieniger bereicherte heuer wieder den »Opernball-Heurigen« mit der Buschenschank Wieninger am Nussberg. Die Kooperation zwischen der Wiener Staatsoper und Gerstner feiert 2024 ihr 155-jähriges Jubiläum. Auch beim Opernball kredenzte Gerstner Genuss in Perfektion, mit bewährten Klassikern und modernen Variationen aus vorwiegend heimischen Zutaten. Als Photograph darf ich anmerken: In der Staatsoper hat man den Blick auch von oben, da muss man alles dreidimensional sehen. Im Abschluß darf ich noch schmunzelnd ausrichten: Alles Winzer!

AUTOR: © Prof. Ali Meyer
BILD Panorama: © Ali Meyer | „Hofball in Wien“ by Wilhelm Gause / Aquarel um 1906 | Wien Museum
BILD Plakat (Fächer): © Wienbibliothek im Rathaus | Das erste Plakat zum Opernball nach der Wiedereröffnung 1956 | Georg Schmid + Epi Schlüsselberger | Wienbibliothek, Plakatsammlung, P-100584
*1. ANMERKUNG: 1991 Absage des Opernballs wegen des Kriegs am Persischen Golf

 

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