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BROWN IN TOWN AFTER SIX – ETIKETTE
KLEIDER MACHEN LEUTE
Die Herren tragen Abends schwarze Schuhe. Als der Engländer Charles
Frederick Worth 1857 in Paris sein Modehaus maison couture eröffnete,
in dem er als erster Kleidung unter seinem Namen als Marke verkaufte,
konnte er nicht ahnen, wie weit seine Handlungen in die Zukunft reichen
würden. Eine Pariserin riskiert lieber einen richtigen Blasenkatarrh
als modisch nicht en vogue zu sein. Stil ist die einzige Voraussetzung
jeglichen Luxusbewusstseins. Eine beachtliche Anzahl von Menschen ist
irrtümlicherweise der felsenfesten Überzeugung mit Markenprodukten
etwas kaufen zu können, das es für Geld nicht geben kann,
nämlich Stil zu haben.
Kleider machen Leute. Das weiß man von jeher, nicht erst seit Gottfried Kellers Novelle. Was ist, wann
ist, und wo ist welche Kleidung angebracht? Cutaway oder Streseman?
Smoking oder Frack? Abendkleid oder Cocktailkleid? Chanel Kostüm
oder Dirndl? Oder bist du als Künstler sowieso ein bunter Vogel?
International betrachtet ist je nach Milieu der Dresscode sehr unterschiedlich
gegeben. Karl Farkas meinte einmal: „Die jungen Mädeln
tragen heutzutage so hauchdünne Kleider, dass das sachkundige Auge
konstatieren kann, ob sie ebenmäßig gebaut oder eben mäßig
gebaut sind“. Ein Panoptikum an Geschmacklosigkeiten, eine
Ansammlung von nichtssagenden Fetzen und eine Welt von äußerst
farblosen Textilien im Gegensatz zum seltenen Chic, offenbart sich dir
bei simplen U-Bahnfahrten.
GESCHICHTE DER UMGANGSFORMEN
Umgangsformen sollen immer nur Rahmen sein, niemals beengende Fessel.
Diese Etikette in bedeutungsvoller Anwendung verliert aber oft ihren
tieferen Sinn, wenn z.B.: pressegeile Filmstars sich verloben, obwohl
beide Partner noch verheiratet sind. Eine weitere Herausforderung im
Umgang ist, dass sich im Augenblick der Verheiratung die Anzahl der
Verwandten sozusagen verdoppelt. Und Verwandte sind auch Menschen, wir
das nicht immer entsprechend beherzigen. Aber die Verhältnisse
sind viel komplizierter, einerseits mit einer „menage à
trois“ oder andererseits im Patchwork zerrütteter Beziehungen.
Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften haben offiziell ihren Platz
in der Gesellschaft erobert. Und dann hat im Genderzeitalter die weibliche
Spezies auch noch immer öfter – offiziell – die Hosen
an.
GESPRÄCHSKULTUR
Ich schätze es sehr. „Höflichkeit ist eine Zier,
doch weiter kommt man ohne ihr.“ Diesem überlieferten
Spruch muss ich entschieden widersprechen, denn weiter kommt man nur
mit ihr, zumindest in den Kreisen, in denen ich bis dato verkehre. Die
Gesprächskultur ist mehr als das bloße Aneinanderreihen gesprochener
Worte. Sprachlich richtig zu kommunizieren heißt, eine Wortwahl
zu treffen, die der jeweiligen Kommunikationssituation und dem angestrebten
Kommunikationsziel angemessen ist.
VERHALTENSKODEX
Eine meiner Töchter – Amélie-Sophie – war dereinst
mit einer wunderbaren Volksschullehrerin gesegnet, die zuerst ihre Aura
vorausschickte, bevor sie selbst das Klassenzimmer betrat. Unglaublich
aber wahr. Die Welt verändert sich laufend und schnell. Der Benimm-Guide
für Onlinewelten wie Facebook oder X (Twitter) ist wohl ein Thema.
Inwieweit das sogenannte Handy und deren Auswüchse des Dauerbedienens
die Umwelt brüskiert, könnte ein interessanter Lernprozess
zur Wiedererlangung der Gesellschaftsfähigkeit sein.
MORALISCHES PROTOKOLL
Der große Querschnitt durch eine multikulturelle Gesellschaft
spiegelt Sitten und Gebräuche, also unterschiedliche Sprache und
Religionen, verschiedene kulturelle Eigenheiten, schlicht und einfach
die Manieren wider. Es ist ein außergewöhnlich faszinierendes
Sittengemälde. Sind wir unabhängig von unserer Hautfarbe und
der Fähigkeit uns sprachlich auszudrücken – bei erstklassiger
Erziehung – in unseren Manieren sehr ähnlich ? Gibt es eine
Art moralisches Protokoll? IN VINO VERITAS möchte
in dieser neuen Folgeserie – ETIKETTE –
viele Aspekte des Lebens beleuchten. Natürlich werden wir auch
die Tischmanieren und kulturgeschichtlichen Aspekte rund um den Wein
beleuchten.
AUTOR: © Prof. Ali
Meyer
BILD Titel: © Ali Meyer | Auschnitt
aus dem Gemälde „Hofball in Wien“ by Wilhelm
Gause / Aquarel um 1906 | Wien Museum
BUCHTITEL:Humboldt Verlag | Modern-Life-Etikette von Gabriela Meyer | ISBN 978-3-8426-4203-4
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