Donnerstag, den 21. November 2024

IM KAFFEESATZ LIEGT DIE WAHRHEIT

Kaffeesatz lesen ist – wie manches aus der Hand lesend vorausgesagt wird – ein Ritual, zumindest für jene die daran glauben. Für mich ist das eine Metapher, denn die weltumspannende Bohne kann nicht nur Geschichten erzählen, hat sie mitunter nur zu oft Geschichte geschrieben. Denken wir an die Hochburgen der französischen Revolutionäre – an die Pariser Cafés. Im Café Procope trafen sich Jean Paul Marat, Maximilien de Robespierre, Georges Danton, Jacques-René Hébert und Camille Desmoulins, um bei Kaffee und Wein über die aktuelle Situation zu diskutieren. Denken wir an die Treffpunkte der Literaten, Musiker und Maler in Wiener Kaffeehäusern. Zum Stammpublikum der Kaffeehausszene gehörten die Schriftsteller Alfred Adler, Peter Altenberg, Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Hermann Broch, Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Anton Kuh, Robert Musil, Leo Perutz, Ernst Polak, Alfred Polgar, Joseph Roth, Felix Salten, Arthur Schnitzler. Friedrich Torberg und Franz Werfel, aber auch Maler, wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka, die Architekten Adolf Loos und Otto Wagner und die Komponisten Franz Lehár und Alban Berg.

> | „Das Wiener Kaffeehaus stellt eine Institution besonderer Art dar, die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist. Es ist eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann“.

„So wussten wir alles, was in der Welt vorging, aus erster Hand, wir erfuhren von jedem Buch, das erschien, von jeder Aufführung und verglichen in allen Zeitungen die Kritiken; nichts hat so viel zur intellektuellen Beweglichkeit des Österreichers beigetragen, als dass er im Kaffeehaus sich über alle Vorgänge der Welt umfassend orientieren und sie zugleich im freundschaftlichen Kreise diskutieren konnte. Täglich saßen wir stundenlang, und nichts entging uns. Denn wir verfolgten dank der Kollektivität unserer Interessen den orbis pictus der künstlerischen Geschehnisse nicht mit zwei, sondern mit zwanzig und vierzig Augen (…)“ < |*Zitat

AUTOR: © Prof. Ali Meyer
*ZITAT: © Stefan Zweig | „Die Welt von Gestern“ | rückblickend auf seine Jugendjahre im Kaffeehaus

 

IN VINO VERITASKAFFEE
IM KAFFEESATZ LIEGT DIE WAHRHEIT
KULTUR DES KAFFEETRINKENS • KOPI LUWAK

Was ist wo los? Im unteren IM KAFFEESATZ LIEGT DIE WAHRHEIT-LEITFADEN » findet man Nützliches bis Außergewöhnliches über eine Bohne, die wie der Wein weltumspannend ist. Die Kultur des Kaffeetrinkens kann viel erzählen: Die Kaffeehäuser in vielen Städten sind voller Geschichte – insbesondere Wien.


KOPI LUWAK – BESCHISSEN GUTER KAFFEE

EIN KAFFEE MIT GANZ GROSSEN WEINEN VERGLEICHBAR

Es gibt einen Kaffee der in seiner Beschaffung mit ganz großen Weinen vergleichbar ist, da er wie diese fast nur noch per Subskription erhältlich ist, den Palmkatzen-Kaffee aus Indonesien. Von der Insel Sulawesi, sowie auch von Sumatra und Java kommt diese überaus ungewöhnliche Kaffeesorte. Die Raritat, Kopi Luwak, im wahrsten Sinne des Wortes ein beschissen guter Kaffee, ist in Anbetracht seiner rustikalen Entstehung und seines exorbitant hohen Preises nicht wirklich jedermann seine Sache, denn die Produktion belauft sich nur auf rund 200 Kilogramm pro Jahr. Kopi Luwak ist eines der seltensten und seltsamsten Getränke der Welt. „Erdig, modrig, mild, sirupgleich, gehaltvoll und mit Untertönen von Dschungel und Schokolade“, lobt ihn der britische Schauspieler John Cleese. Der hauptsächlich in Sulawesi vorkommende wieselartige Baumbewohner, ein Fleckenmusang, hat eine Vorliebe für überreife, zuckersüße Kaffeekirschen. Der Paradoxurus hermaphroditus, wie er wissenschaftlich heist, ist die einzige Katze, die Kaffeekirschen frisst. Bei seinen nächtlichen Streifzügen durch die Kaffeeplantagen füllt er sich seinen Magen immer nur mit den prallsten und reifsten Kaffeekirschen an. Er verdaut jedoch nur das rote Fruchtfleisch, den Kern – sprich die Kaffeebohne – scheidet er gänzlich unverdaut wieder aus. Die Schleichkatzen verrichten ihr „Geschäft“ immer an der selben Stelle, so ist die Ernte fur menschliche Kaffeebauern leicht auffindbar.

PALMKATZEN-KAFFEE AUS INDONESIEN

Aber da hat sich zuvor Folgendes zugetragen: Gleich dem Prozess in einem Fermenter wurde die Kopi-Luwak-Bohne im Verdauungstrakt der kleinen Schleichkatze bearbeitet. Die interne Fermentation durch Enzyme im Magen-Darm-Trakt, hauptsächlich durch Milchsäurebakterien, ist fur das einzigartige Aroma der Kaffeebohnen verantwortlich. Nass verarbeitete oder fermentierte Kaffeebohnen werden in der Kaffeeindustrie für ihr herausragendes Aroma sehr geschätzt. „Wenn Kaffeekirschen durch den Verdauungstrakt geschickt werden, durchlaufen sie praktisch einen Nassprozess“, beschreibt Massimo Marcone von der University of Guelph in der kanadischen Provinz Ontario den Ablauf. Der Lebensmittel-Chemiker legte im Zuge seiner Forschungen die Bohne unter ein Rasterelektronenmikroskop um den wissenschaftlichen Beweis anzutreten. Bei 10.000-facher Vergrößerung offenbarten sich winzige Krater auf der Bohnen-Oberflache. Diese Krater sind bei herkömmlichen Kaffeebohnen nicht vorhanden. Marcone vermutet darin Spuren, die vermutlich von den Verdauungssekreten der „Schleichkatzen“ stammen. Außerdem waren die Speicherproteine der Kaffeebohnen durch Verdauungsenzyme teilweise ganz abgebaut, zum Teil in kleinere Molekule gespalten, die dann beim Rösten der Bohnen Aroma und Geschmack mitbestimmen. Gleiches konnte er bei der afrikanischen Zibetkatze in Äthiopien nachweisen, einer dem Fleckenmusang verwandte Schleichkatzenart. Kaffeeliebhaber behaupten, dass der Geschmack des Kopi Luwak der indonesischen Schleichkatzen vergleichsweise zur afrikanischen Zibetkatze wesentlich feiner sein soll. Der herbere Geschmack rührt vermutlich von der unterschiedlichen Ernährung der Tiere her. Im Gegensatz zu den äthiopischen Verwandten, die ihre Nahrung mit Fleisch anreichern, sind die indonesischen Luwaks reine Vegetarier. Kopi Luwak tauchte Anfang der neunziger Jahre aus dem Dschungel Indonesiens auf. Die Nachfrage ist steigend, denn Gourmets haben manchmal eine seltsame Art, ihre Leidenschaft zu dokumentieren.

 

DER TEUERSTE UND BESTE KAFFEE DER WELT

Der Kick und das Prestige eines der teuersten und seltensten Getränke der Erde konsumieren zu können ist für bestimmte Menschen wichtig. Der beschissen gute Kaffee ist so selten wie ein piemontesischer Trüffel und der Kilopreis für den Kopi Luwak beträgt in Europa heute bis zu 1.000 Euro. Das ist fast der hundertfache Wert eines „normalen Qualitatskaffees“. Selbst in Indonesien ist der Edelkaffee nur schwer erhältlich, die internationalen Kunden stehen auf der Vormerkliste. Es sind eine Reihe an Fälschungen im Umlauf. Die mögliche Alternative wäre ein aus Thailand kommender, ebenfalls „beschissen guter Kaffee“. Im Norden des Landes ist nicht das Elfenbein der Elefanten wichtig, sondern deren Kot. Aus dem Elefantenmist stellen sie eine weitere sehr teure Kaffeesorte her. Sie führt den passenden Namen Black Ivory, schwarzes Elfenbein. Thai Arabica Kaffeebohnen, die in der Region auf 1500 Meter gedeihen, werden dem Futter der Tiere beigemengt, von ihnen gefressen und ausgeschieden. Da nicht jede Bohne unbeschädigt in den Magen der Elefanten gelangt, da eine beträchtliche Zahl zwischen den Zähnen der Dickhäuter zermalmt werden, sind es deshalb bis zu 10.000 Bohnen die für ein Kilo Kaffee benötigt werden. Kein Wunder also, dass der Black Ivory fast unerschwinglich ist. Hier werden pro Kilo rund 850 Euro berechnet oder der fertige – tassenweise Trinkkaffee – zum lächerlichen Preis um 39 Euro pro Tasse angeboten. Zum Wohl bzw. Guten Appetit!

AUTOR: © Prof. Ali Meyer | aus dem Manuskript | Am Set mit BIG BUDDHA »
BILDER: © Ali Meyer | Borobudur

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