CHAMPAGNER –
300 Millionen Flaschen für die Welt
Es gibt da den prickelnden Luxus, aus der Champagne der mehrheitlich
aus Rotwein-Trauben entsteht, was viele gar nicht wissen. Im Champagner
sind zumindest zwei der drei Rebsorten Pinot Meunier, Pinot Noir und
Chardonnay, die einzige weiße Rebsorte, enthalten. Nur der Blancs
de Blancs besteht aus reinem Chardonnay. Die Werdung eines Champus ist
gemessen an seinem Preis aber auch ein beachtlich großer Aufwand.
Die Champagne ist mit 34 000 Hektar Rebfläche eines der kleinsten
Weinbaugebiete des nördlichen Frankreichs. Etwa 300 Millionen Flaschen
werden jährlich gefüllt. In den vier Weinbaugebieten Vallée
de la Marne, Montagne de Reims, Côte des Bar und Côte des
Blancs wird dafür hart gearbeitet. Für die Herstellung von
Champagner gelten strenge Qualitätsmaßstäbe. Die Trauben der roten Grundweinsorten
Pinot Noir und Pinot Meunier werden schnell abgepresst, damit so gut
wie keine roten Farbstoffe in den Grundwein gelangen. Die meisten Champagner
werden aus Grundweinen verschiedener Jahrgänge zu Cuvées
verschnitten und kommen ohne Jahrgangsangabe auf den Markt. Frankreichs
Cuvées sind die Krönungen des Weines.
Die Marriage, wie es die Franzosen nennen, wenn große Weine heiraten,
wird bei uns weniger gewürdigt. Höhepunkt des französischen Winzerjahres ist
die Assemblage im Frühjahr. Da entstehen die Cuvées, wo
Weine zu einer Mischung aus verschiedenen Lagen, Rebsorten und Jahrgängen
mit bis zu 100 Komponenten vermählt werden. Der Grundwein eines
typischen jahrgangslosen Champagners besteht zu rund 70 % aus dem aktuellen
Jahrgang. Der Rest älterer Jahrgänge als Reserveweine verhelfen
einengleichwertigen, aber auch gleich schmeckenden Champagner zu produzieren.
Um die zweite dreiwöchige Flaschengärung zu erreichen, werden
dem Wein Rohr- oder Rübenzucker und etwas Hefe, die Liqueur de
tirage, zugegeben, die Flaschen mit einem Kronkorken verschlossen, der innenseitig eine Plastikkapsel, die
Bidule trägt, die zum Auffangen des Depots dient. Nur in der Champagne
darf dieses Verfahren den Namen Méthode champenoise tragen. Der
Champagner verbessert sich nach dieser abgeschlossenen Gärung auf
der Hefe und kann über viele Jahrzehnte so gelagert werden. Die
abgestorbene Hefe vollzieht einen enzymatischen Zersetzungsprozess,
die Autolyse, der dem Champagner sein typisches Aroma verleiht. Ferner
sorgt die Autolyse für eine feine Lösung der Kohlensäure
im Wein, die später im Glas für die ebenfalls feine, lang
anhaltende Perlage sorgt. Bei der erfolgten alkoholischen Gärung wurde also der Zucker durch die Hefen in Kohlensäure und Alkohol
umgesetzt. Fünfzehn Monate Reifezeit, sur lattes, sind für
jahrgangslose Champagner und drei Jahre für Jahrgangs-Champagner
vorgeschrieben. Mit klassischer „Handarbeit“ werden die
Flaschen in Rüttelpulte, pupitres de remuage, gestellt.
BILD: © picture-alliance | dpa
Am ersten Tag dieses Prozesses liegen die Flaschen fast waagerecht,
leicht zum Kronkorken hin geneigt. 21 Tage lang werden die Flaschen
dann gerüttelt. Dabei werden sie in den ersten zwei Wochen im gleichen Winkel belassen, aber täglich um eine zehntel
Umdrehung gedreht. Ein erfahrener Rüttler schafft so täglich
ca. 40.000 bis 50.000 Flaschen. In der letzten Woche werden sie dann
Tag für Tag immer weiter auf den Kopf gestellt. Handgerüttelt
wird heute aber nur noch sehr selten. Diesen Job haben Maschinen, gesteuerte
Roboter übernommen – die remuage mécanique. Mehrere
Dutzend Flaschen werden auf Kopfstoss in gyropalettes, große würfelförmige
Drahtkäfige, sortiert. Die sind elektrisch angetrieben und elektronisch gesteuert.
Die Ergebnisse sind bei Handarbeit und mechanischer Rüttelung identisch.
Wenn die Flaschen senkrecht stehen, hat sich die Hefe im Flaschenhals
gesammelt. Beim Degorgieren, dem Enthefen, wird der entstandene Hefepfropfen
entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt. Früher
wurde der abgesetzte Hefepfropf ohne Einfrieren aus der Flasche entfernt,
dégorgement à la volée, mittels Dégorgieren
im Flug. Die Flasche muss dabei kopfüber geöffnet werden,
so dass Geschick und Schnelligkeit das manuelle Warmdegorgieren ermöglichen. Um die abgesetzte Hefe
möglichst verlustfrei an Flüssigkeit aus der Flasche zu bekommen,
wird der Flaschenhals heutzutage durch eine Kühlsole (Eisbad) geführt,
so dass die Hefe als Pfropf gefriert. Im Anschluß beim Öffnen
des Kronkorken verlässt die gefrorene Hefe durch den Überdruck
die aufrechte Flasche, ohne den Wein wieder einzutrüben.
Beim Transvasier-Verfahren wird die Gärung wie bei der traditionellen
Methode in einer speziellen Gärflasche durchgeführt, das Degorgieren erfolgt jedoch nicht
mittels Abrüttelns, sondern nach Entleeren der Flaschen unter Kohlensäuredruck
durch eine Filtration. Dieses Verfahren stellt einen Weg dar, die Vorteile
der traditionellen Flaschengärung beizubehalten und die aufwändigen,
personalintensiven Schritte des Entfernens der Hefe gegenüber der
traditionellen Methode zu vereinfachen. In der Champagnerherstellung
ist das Transvasier-Verfahren ausschließlich für Flaschengrößen
unterhalb dem halben Format, 0,375 Liter, wie Airline- und Minibar-Miniaturen
und oberhalb der Jéroboamflasche, 3,0 Liter erlaubt. Bevor der
Champagner seinen Endkorken erhält, muss nicht nur der Flüssigkeitsverlust durch Auffüllen
ausgeglichen werden, sondern damit auch die Dosage zugeführt werden.
Die Dosage besteht aus Süßweinen, aus Süßreserve
des Champagner-Grundweins oder als Zuckerlösung. Einige Champagner-Häuser
veredeln noch mit Esprit de Cognac. Dadurch wird bei sehr süßen
Champagnern der sonst eintretende Alkoholverlust ausgeglichen. Die Dosage
ist das absolute Geheimnis der Champagner-Häuser. Sie gibt dem
edlen Getränk eine prägende Note und bestimmt vor allem die Geschmacksrichtung
von extrem trocken bis hin zu süß. Die Dosagen ermöglichen
folgende Geschmacksrichtungen:
ULTRA BRUT, BRUT NATURE oder BRUT INTEGRAL:
keine Dosage mit 0 bis 3 g/l Restzucker (non dosé oder zero dosage);
EXTRA BRUT: Dosage mit 0 bis 6 g/l Restzucker; BRUT:
Dosage mit 0 bis 15 g/l Restzucker; EXTRA SEC, EXTRA DRY:
Dosage mit 12 bis 20 g/l Restzucker; SEC: Dosage mit
17 bis 35 g/l Restzucker: DEMI SEC: Dosage mit 35 bis
50 g/l Restzucker; DOUX: Dosage mit mehr als 50 g/l
Restzucker (selten bei Champagnern). Sante!
AUTOR: © Prof. Ali Meyer | À
BIENTÔT PARIS | Verlag Der Apfel 2013 | ISBN 978-3-85450-186-2
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