GEFÄHRLICHE IRRTÜMER
UNZUREICHENDE INFORMATIONEN
Laut dem österreichischen Lebensmittelbuch, dem Weingesetz und
vor allem in der EU-Verordnung wird „alkoholfrei“
mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 0,5 Volumenprozent definiert
= Vol. % oder % vol. Um das zu erreichen,
wird an verschiedenen Stellen im Herstellungsprozess der Getränke
eingegriffen, um die Entwicklung von Alkohol zu verhindern bzw. den
Alkoholgehalt abzusenken. Eine EU-Vorschrift sorgt zudem für Verwirrung.
Eine verpflichtende Angabe des Alkoholgehalts ist innerhalb der EU aber
erst ab 1,2 Volumenprozent vorgeschrieben, sodass Getränke zwischen
0,5 % vol und 1,2 % vol zwar nicht als alkoholfrei bezeichnet werden
dürfen, aber auch der Alkoholgehalt nicht verpflichtend deklariert
zu werden braucht.
„ALKOHOLFREIE“ GETRÄNKE IM STRASSENVERKEHR
„Alkoholfreie Getränke haben keine Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit.
Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1983 müsste ein 75 kg schwerer
Mann innerhalb einer Stunde zwölf Liter alkoholfreies Bier zu sich
nehmen, um auf eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 ‰ zu kommen,
was praktisch unmöglich ist. In einer Versuchsreihe, die für
diese Untersuchung durchgeführt wurde, betrug die Blutalkoholkonzentration
aller Probanden nach der Aufnahme von 1,5 Litern alkoholfreien Bieres
mit einem Alkoholgehalt von 0,44 Vol. % innerhalb einer Stunde 0,0 ‰.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Alkoholabbau schneller
geschieht als die Alkoholaufnahme. Die gleichzeitige Aufnahme von alkoholhaltigem
und alkoholfreiem Bier zeigte eine leichte Abflachung der BAK-Kurve
im Vergleich zu Personen, die nur alkoholhaltiges Bier getrunken hatte.
Die minimal erhöhten BAK-Werte wurden aber als „forensisch
ohne Auswirkung“ eingeschätzt. Die Reaktionsfähigkeit
der Probanden war durch das alkoholfreie Bier nicht beeinträchtigt.“ [*Zitat-1]
„Die deutsche Verbraucherorganisation Foodwatch und der österreichische
Verein für Konsumenteninformation – VKI
– kritisieren die Regelung, dass Getränke mit maximal 0,5
% vol Alkohol als alkoholfrei gelten dürfen und der im Getränk
enthaltene Alkoholgehalt erst ab einem Alkoholanteil von 1,2 % vol ausgewiesen
werden muss. Sie fordern, dass alle Getränke bis 0,5 % vol Alkohol
stattdessen als alkoholarm bezeichnet werden sollen.“[*Zitat-2]
OHNE ALKOHOL
Die Bezeichnung „ohne Alkohol“ darf ein Lebensmittel
nur führen, wenn der Alkoholgehalt 0,0 % beträgt. Der Technologie
geschuldet ist diese Kennzeichnung für Weine obsolet. Produkte
welche aus Früchten bestehen oder Früchte enthalten, da ist
das allerdings auch fast nie der Fall. Fruchtsäfte können
beispielsweise bis zu 1 % vol Alkoholgehalt durch natürliche Gärung
aufweisen. Die Problematik liegt im Produktionsprozess, exakt in den
Schwankungen, die verhindern den kompletten Alkohol herauszufiltern.
Um alkoholfreies Bier herzustellen, sind zwei Verfahren sehr verbreitet:
Entweder wird der Gärprozess abgebrochen oder der Alkohol wird
im Anschluss herausgefiltert. Mit diesen Verfahren kann mit dem jetzigen
Stand der Technik nicht der komplette Alkohol entfernt werden. Daher
gibt es hier eine vom Gesetz abgesegnete Toleranzgrenze von bis zu 0,5%
Restalkohol.
ALKOHOLFREI BEDEUTET NICHT GLEICH OHNE ALKOHOL
Résumé: Auf der einen Seite darf ein
sogenanntes alkoholfreies Getränk also per Gesetz bis zu 0,5 Volumenprozent
Alkohol enthalten. Auf der anderen Seite soll ein Getränk mit der
Bezeichnung ohne Alkohol garantieren, dass es keinen Alkohol enthält
– sprich mit 0,0 Volumenprozent – Produkte neuerer Entwicklung
durch technologischen Fortschritt ermöglicht. Da 0,0 Volumenprozent
im Endeffekt trotzdem nicht restlos garantierbar sind, gilt eine nicht
deklarierungspflichtige und vernachlässigbare Toleranzgrenze von
0,03 % Restalkohol.
„TROCKENE ALKOHOLIKER“ – GEFÄHRLICHE IRRTÜMER
Alkoholfreies Bier ist für „trockene Alkoholiker“
völlig ungeeignet. Es ist nicht nur der Restalkohol von 0,5 % sondern
auch der ähnliche Geschmack des alkoholfreien Bieres der trockenen
Alkoholikern so gefährliche Irrtümer ins Haus bringen kann.
Für trockene Alkoholiker ist eigentlich alles tabu. Alkoholfreie
Varianten von Wein, Sekt oder Bier riechen und schmecken ähnlich
wie das Original. Sie lösen auf allen Sinnesebenen Reize aus, die
das Suchtgedächtnis aktivieren können. Ein Rückfall ist
mitunter vorprogrammiert.
AUTOR: © Prof. Ali
Meyer
*ZITAT-1: © Luff/Lutz | Wirkung sog. alkoholfreien Bieres auf Blutalkoholkonzentration und Reaktionsvermögen | Blutalkohol 1983 | Seite 252–257
*ZITAT-2: © Sophia Freynschlag | Wirbel um Bier-Kennzeichnung | Wiener Zeitung | 29.05.2012
BILDERSERIE: © Ali Meyer | Wien
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