Freitag, den 13. Juni 2025

ALTE WELT vs. NEUE WELT

Der Wein als Getränk hat – neben seiner geschmacklichen und olfaktorischen Wahrnehmung – noch eine wirklich große gesellschaftliche Bedeutung. Er hält bei maßvollem und gemeinsamem Genuss – im wahrsten Sinn des Wortes – unsere Gesellschaft zusammen. Er offenbart eine enorme soziale Komponente.

Es ist noch nicht solange her, da oblag es Geschmacksdiktatoren und den sogenannten Weinpäpsten dem Konsumenten zu erklären, wo es langginge. Die globale Vernetzung unserer digitalen Welt mit ihren diversen Anwendungswerkzeugen, speziell jene der Neuen Medien gleich Facebook, Twitter, Youtube oder Pinterest, zeigt es auf: Die Weinwelt rückt immer näher zusammen. Mit bester Ausbildung, guter Technologie und einer Menge an Herz werden schon seit mehreren Generationen auch außerhalb Europas hervorragende Weine geschaffen. Und die Konsumenten haben viel gelernt.

Eigentlich müßte die Phrase durch ein Bindewort ersetzt werden und nun Alte Welt und Neue Welt heißen. Der möglicherweise als Kampfansage verstandene althergebrachte Begriff „versus“ – sollte zumindest den internationalen Wettbewerb beflügeln und zu noch höheren Qualitäten führen.

BILD: Die Welt | IN VINO VERITAS | Der Neue Weinbau 4.0

IN VINO VERITASSERIE
DER WEINBAU EROBERT DIE WELT
CHINA – AUS DEM REICH DER MITTE

Was ist wo los? Im unteren LÄNDER-LEITFADEN » findet man einen Auszug der Ursprünge und Orte des Kulturgutes Wein. Von der Alten Welt in die Neue Welt und wieder zurück. Der Weinbau erobert die Welt.


CHINA – AUS DEM REICH DER MITTE

BILD oben rechts: issued by IN VINO VERITAS

Die Bezeichnung „Reich der Mitte“ war ursprünglich ein Plural. Er beschrieb die geografische Lage kleiner Fürstentümer am Gelben Fluss, Huang He. Nach dem Jangtsekiang ist er der zweitlängste Fluss Chinas und der viertlängste einzelne Fluss der Erde. Der Gelbe Fluss liegt im Norden Chinas, der Jangtse weiter im Süden. Diese um den Huang He gruppierten „Staaten der Mitte“ bilden den Kern des heutigen China. Im Laufe der Jahrhunderte gruppierten sich weitere Staaten um diesen geografischen Mittelpunkt. Der „erste Kaiser von Qin“, der Potentat Qin Shi Huang (259-210 v. Chr.) vereinte im Jahr 221 vor Christus diese „Länder der Mitte“ zum sogenannten Reich der Mitte, Zhong Guo. Über viele Jahrhunderte hat sich das chinesische Reich bis nach Mittel- und Südasien ausgedehnt.

Das Helan-Gebirge (Helan Shan) ist ein nordwestlich von Yinchuan gelegener über 200 km langer und 15–50 km breiter, durchschnittlich mehr als 2000 m hoher Gebirgszug, der die Grenze zwischen der Inneren Mongolei und Ningxia bildet. Diese autonome Region Ningxia Hui im Nordwesten ist Chinas kleinste und drittärmste Provinz. Dieser Landstrich ist auf dem guten Wege die innovative Weingegend gleich dem Nappa Valley zu werden. Man ist mehr als bestrebt und auch schon erfolgreich damit Spitzenweine zu produzieren. Vorbilder sind neben Kalifornien das neuseeländische Marlborough oder Mendoza in Argentinien. Dafür hat der chinesische Staat unheimlich viel Geld in die Hand genommen. Um dem stetigen Vorrücken der Wüste Gobi zu begegnen wurde der Weinanbau forciert. Neben den Pflanzungen und der Pflege der Weinreben in den ehemaligen Wüstengebiet – zehntausende Hektor wurden bis heute bepflanzt – wird auch in den Bau von architektonisch nahezu märchenhaften Weingütern – in entsprechende Verkostungwettbewerbe und final in dazu passende Großmessen – kräftig investiert. Nach der erfolgreichen Jungfernveranstaltung in Peking im Jahr 2018 hat der Concours Mondial de Bruxelles die Weinregion Ningxia ausgewählt, um seinen 28. Wettbewerb im Mai 2021 auszurichten und das Herz der chinesischen Weinindustrie zu erkunden. Die neunte Ningxia International Wine Expo fand vom 22. bis 23.10.2020 in Yinchuan am östlichen Fuße des Helan-Gebirges statt.

Anfangs setzten die Staatswinzer lediglich auf Volumen und nicht auf Qualität. Wie in China nicht unüblich gibt es gewisse Staatsziele. Um die Vorgaben der zu erreichenden Menge erfüllen zu können, etikettierte der eine oder andere chinesische Winzer importierten australischen bzw. chilenischen Wein mit ihrem eigenen Label um. Im Jahr 2011 erließ die Regierung von Ningxia eine Reihe gesetzlicher Richtlinien, einerseits um die Weinbranche zu regulieren und andererseits Weinkellereien zu ermutigen, Qualitäts- und Markenweine zu produzieren. Mittlerweile gilt China vor Neuseeland als fünftgrößter Weinproduzent der Welt. China möchte nicht 100 Jahre warten bis ihr eigenes Produkt Wein Weltklasse erreicht. Ich meine vergleichsweise wie die Japaner mit ihrem Whisky. China will das mit dem Rebensaft innerhalb von 20 Jahren schaffen. Bis zum Jahresende 2020 haben mehr als 1.000 Weinvarianten von 50 lokalen Chateaus hochrangige Weinwettbewerbe auf der ganzen Welt gewonnen. Ningxia hat sich rasch zu einer wichtigen Weinbauregion in China entwickelt. Momentan sind 32.800 Hektar Weinrebenplantagen ansässig, 92 Weingüter in 6 Subregionen mit einer jährlichen Verarbeitungskapazität von 200.000 Tonnen Trauben, die einen Ertrag von 130 Millionen Flaschen Wein p.a. erbringen. Das stellt einen Produktionswert von 26,1 Milliarden Yuan (ca. 3,9 Milliarden US-Dollar) dar. Ningxia geht davon aus bis 2025 die Weinbergflächen auf 66.667 Hektar zu erweitern und die jährliche Weinproduktion auf 300 Millionen Flaschen mit einem Gesamtwert der industriellen Produktion auf 100 Milliarden Yuan zu steigern. Der Wein aus dieser Region wird bis dato weltweit in über 20 Länder exportiert.

Es gibt neben den Staatswinzern eine Reihe von Privat-Initiativen. Gao Yuan ist eine davon. Ganze zwei Jahre studierte die Chinesin in Europa an der Faculté d'œnologie de Bordeaux Anbauverfahren, Microbiologie von Rebsorten und Kellereitechnik. Die Liebe zu Gao Yuan ließ einen französichen Kellermeister eines traditionreichen Weinguts ihr nach China folgen. Die heute 15 jährige gemeinsame Tochter ist nun auch schon im Betrieb tätig. Was Gao Yuans Vater Gao Lin als Staatsbeauftragter zur Erschließung des Weingebietes Ningxia begann, führt sie nun professionell weiter. Sogar eine Ausbildung zum Naturweinmachen in Slowenien während der Pandemiezeit mußte ihren Wissensdurst stillen. 70 Hektar umfasst ihr Weingut Siver Heights heute. 2010 erwähnte der Weinkritiker Jancis Robinson in dem von der Financial Times veröffentlichten Artikel „Der frische Duft des chinesischen Weins“ „einen weiteren neuen Stern in der chinesischen Weinindustrie“. Der "neue Stern", auf den sich Jesses bezog, war das Silver Highland Winery in Ningxia. Gegenwärtig empfangen die Chateaus von Ningxia mehr als 600.000 Touristen pro Jahr. Auf 1.200 Höhenmetern bei reichlich Sonnenlicht und mineralischen Böden – mit reichhaltiger Bewässerung – wachsen hervorragende Reben, wenn man weiß wie. Allerdings sind bei 20 Grad minus im Winter die Reben besonders vor dem Frost zu schützen, werden unter der Erde vergraben – viel Arbeit also. Die Früchte dieser Arbeit können sich sehen – besser gesagt schmecken lassen. Gao Yuan´s roter Cuvée The Summit rangiert unter den bestbewerteten Weinen weltweit. Die Silver Heights Winery ist eine der wenigen privaten Familienweingüter, deren Weine beim Staatsbankett Chinas kredenzt wurden.

BILDER Mitte: © Ningxia Gaoyuan Silver Heights Winery | issued by IN VINO VERITAS

AUTOR: Prof. Ali Meyer
BILD unten: © Collage Ali Meyer | Weinbau im Reich der Mitte | issued by IN VINO VERITAS

 

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