WEINBAU IN
TANSANIEN
WEININDUSTRIE IM AFRIKANISCHEN OSTEN
Ich wurde mit dem "Weinland Tanzania" auf der EXPO 2020 Dubai
konfrontiert. Afrika und Wein führt normalerweise gedanklich sofort
zu Südafrika. Aber da gibt es doch noch anderes äußerst
Interessantes. Der Wein kam wie so oft wiedereinmal mit einer Mission
ins Land. Genaugenommen hatten italienische Missionare der katholischen
Mission Hombolo im 19. Jahrhundert für religiöse Zwecke die
ersten Rebstöcke im Hinterland von Tansanien, in der Nähe
des Kondoa-Distrikts in Dodoma angebaut. Danach in den 1930er-Jahren
wurden unweit südlich des Kilimandscharo Reben von deutschen Siedlern
angepflanzt. Nach der Unabhängigkeit von den Briten im Jahre 1961
setzten dann massive Bestrebungen des staatlichen Ausbaus ein. Eine
trockene Luft und ein Sandboden, kombiniert mit geringer Luftfeuchtigkeit
ist eben ein optimales Wachstumsklima für trockene weiße
und rote Weine. So zumindest stellt es sich um Dodoma dar, dem bis dato
einzigen Weinbaugebiet des Landes. Es werden Chenin Blanc, Shiraz, Cabernet
Sauvignon und natürlich Makutupora kultiviert, eine lokale Rotweinsorte
– eine trockene rote Traube, die auf trockenem, sandigem Boden
mit geringer Luftfeuchtigkeit bestens wächst. Die südafrikanische
Handschrift ist natürlich nicht zu übersehen, sei es durch
den Import von Rebstöcken bis hin zu Weinen bzw. der finanziellen
Beteiligung durch die südafrikanische Distell Group und den damit
verbundenen Markenrechten an der – Dodoma Wine Company.
Regionen wie Morogoroo, Tanga, Arusha, Tabora, Mwanza, Ruuvuma klingen
wohl etwas unbekannter als Kilimanjaro, sind aber wie neue Forschungen
von TARI – Tanzania Agricultural Research Institute – jetzt
ergeben haben, durchaus geeignet Weinbau zu tragen. Entlang der flachen
Küste gibt es ein tropisches, in den Bergen im Norden, Westen und
Süden ein gemäßigtes Klima. Es ist ein anderes Klima
als in der Alten Welt des Weins – in Europa.
PORTRAYING AFRICA
Bei dem Projekt PORTRAYING AFRICA begegnet man unterschiedlichen, faszinierenden,
eigenartigen und polarisierenden Menschen. Manchmal läuft es im
Leben anders als geplant – wie bei Quereinsteigerin Sweetbertha
Rwabizi. „9 to 5 lag mir einfach nicht“, erzählt
die junge Afrikanerin. Von einem französischen Ölkonzern wechselte
sie kurzerhand in die Genussproduktion und überwacht nun ihr Lieblingsgetränk
aus Studientagen. Sweetbertha Rwabizi hat hohe Ziele im kulinarisch
aufstrebenden Tansania: die Etablierung einer echten Weinkultur.
Sweetberthas Arbeitsplatz klingt bislang noch ungewöhnlich im
tansanischen Kontext. „Wein aus der Region ist ein sehr neues
Phänomen. Die Bevölkerung ist skeptisch und viele bevorzugen
den importierten Wein aus Südafrika, weil sie ihn kennen“,
erzählt Sweetbertha. Dabei bilden die Weinberge rund um Tansanias
Hauptstadt Dodoma nicht nur die vielversprechendste Weinregion im Land,
sondern auch eine der aufstrebendsten auf dem gesamten afrikanischen
Kontinent. Denn die Bedingungen für den Weinanbau sind in Dodoma
perfekt. „Wir liegen relativ hoch, wodurch es nicht allzu
heiß wird“, sagt Sweetbertha. Zwar gebe es manchmal
nicht genug Niederschlag, aber daran hätten sich die beiden Traubenarten
Makutupora und Chenin Blanc über die Jahre angepasst und überhaupt
erst ihren regionalen charakteristischen Geschmack entwickelt. „Die
wichtigste Besonderheit ist aber, dass wir zwei Mal im Jahr ernten können,
weil wir zwei Regenzeiten haben – von August bis November und
von Februar bis März“, fügt sie hinzu.
In dieser Zeit arbeiten die 700 Farmer aus der Umgebung, Sweetbertha
und ihre 90 Mitarbeiter rund um die Uhr. Morgens bringen die Weinbauern
die Trauben in Bottichen und werden nach Gewicht bezahlt. Dann werden
die Früchte weiterverarbeitet, abgebeert und in einer Mühle
zerdrückt, sodass die dickflüssige Maische entsteht. „Bei
Rotwein, den wir zu 90 Prozent verkaufen, bleibt dieses Gemisch drei
bis vier Tage stehen, damit der Wein gärt und möglichst viele
Farbstoffe aus den Beeren extrahiert werden“, erklärt
Sweetbertha. Dadurch erhalte das Produkt auch seine schöne rote
Farbe, die bei tansanischem Wein noch intensiver und dunkler sei als
in anderen afrikanischen Ländern. Anschließend wird der Wein
gefiltert, gepresst und schließlich in einem der zwölf riesigen
Tanks von Alko Vintages gelagert. 1,5 Millionen Liter füllt der
Weinproduzent, der als einziges Weingut Tansanias unter einheimischer
Führung steht, auf diese Weise jährlich ab – wenn nicht
produziert wird, besteht die tägliche Arbeit darin, den Wein abzufüllen.
„Der liebliche Rotwein ‚Dompo‘ ist der absolute
Verkaufsschlager unter unseren sieben Marken, weil er mit 18 Volumenprozent
einen außergewöhnlich hohen Alkoholgehalt hat“,
schmunzelt Sweetbertha.
KONKRETES POTENTIAL
Konkretes Potential sieht das 1,55m große Energiebündel
dabei in gleich mehreren Aspekten: „Die Menschen in Tansania
beginnen, gesünder zu leben, ihren Lebensstil umzustellen. Sie
lernen zum Beispiel, dass viele im Alter Diabetes oder Bluthochdruck
bekommen und versuchen, das zu verhindern. Ein Glas Wein am Tag kann
da helfen – das erkennen sie langsam.“ Daneben möchte
Alko Vintages auf den hohen Anteil an Muslimen im Land reagieren und
verschiedene Arten an Traubensaft anbieten. Auch in den bisherigen Importen
von 30 Millionen Litern jährlich läge weiteres Wachstumspotential,
versichert Sweetbertha: „In Zukunft können wir hoffentlich
die Importe durch unseren eigenen Wein ersetzen, indem wir damit werben,
dass der Wein im eigenen Land hergestellt wurde.“
Um zu expandieren reichen die bisherigen Kapazitäten von Alko Vintages jedoch noch
nicht. In Tansania ist das Unternehmen neben Cetawico und Tansanian
Distilleries Limited schon die drittgrößte Weinmarke, aber
ihr Marktanteil liegt noch unter zehn Prozent. Gegenwärtig baut
der Weinproduzent daher acht neue Tanks für umgerechnet 1,2 Millionen
Euro, um die Lagerkapazität zu erhöhen und eine höhere
Nachfrage bedienen zu können. Um jedoch zu exportieren, zum Beispiel
nach Südafrika, müsste Alko Vintages schon zwei oder zweieinhalb
Millionen Liter jährlich produzieren. „Aber wenn wir
unsere Produktion langsam ausbauen, können wir dieses Ziel auf
jeden Fall eines Tages erreichen. Eins nach dem anderen“,
offenbart uns Sweetbertha Rwabizi am Ende des Gesprächs.
AUTOR: Prof. Ali Meyer
| Erfahrungen bei der EXPO 2020 Dubai
QUELLEN: © Portraying Africa |
SWEETBERTHA RWABIZI »
BILDER: © Ali Meyer | issued by
IN VINO VERITAS
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