Sonntag, den 05. Mai 2024

AUF DER JAGD

Die sogenannte Jägersprache lässt sich bis in das 7. Jahrhundert zurückverfolgen. Durch die Feudaljagd des Adels rund um Karl den Großen wurde sie zur richtigen Fachsprache der Jäger. Diese Weidmannssprache ist Bestandteil des jagdlichen Brauchtums. Es ist eine Standessprache, die sich in bzw. mit sehr bildhaften Ausdrücken darstellt. Der Wortschatz umfasste einmal runde 13.000 Begriffe, wo heutzutage wohl nur mehr die Hälfte bis ein Viertel davon im sprachlichen Umgang evident sind.

Nicht unerheblich ist der Gebrauch eines Teiles dieses Wortschatzes im Alltag. Man könnte z.B.: doch „Lunte riechen“ und „die Fährte aufzunehmen“ um „auf der Strecke zu bleiben“. Und da ist die der Weidmannssprache zugeordnete sehr bekannte Bezeichnung „Jägerlatein“. Damit sind übertriebene bis erfundene Erzählungen über Jagdabenteuer gemeint. „Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“ meinte einst schon Otto von Bismarck. Diese facettenreichen Geschichten rund um das Brauchtum sind aber interessant. Vieles auf unserem Teller stammt schließlich von der Jagd.

"Mit der Linken wird gesoffen, mit der Rechten wird geschossen!"

BILD: © Ali Meyer | P. Brueghel d.Ä. | Jäger im Schnee | KHM Wien

IN VINO VERITAS – AUF DER JAGD
TRINKSPIELE
WERTHEMANNSCHER HIRSCH

Was ist wo los? Im unteren AUF DER JAGD-LEITFADEN » findet man facettenreiche Geschichten rund um das Brauchtum Jagd.


WERTHEMANNSCHER HIRSCH

TRINKRITUALE IM SPIEGEL DER ZEIT

Zu den kostbarsten, weil in hohem Masse charakteristischen und aufwendig ausgeführten Leistungen der Augsburger Goldschmiede um 1600 gehören die sog. Trinkspiele, ein erlesener Teil höfischer Tafeldekoration. Viele dieser Werke sind mit einem automatischen Räderwerk versehen. In der Werkstatt dreier berühmter Augsburger Goldschmiede sind solche Trinkspiele in Form der auf einem Hirsch reitenden Diana entstanden. Die Jagdgöttin ist von drei grösseren Hunden begleitet, zwei kleinere folgen einem laufenden Jäger. Anlässlich hoher Feierlichkeiten bei Hofe trug das Trinkspiel zur Belustigung der Gäste bei. Zunächst füllte man den hohlen Körper des Hirsches, dann den des grössten Hundes mit Wein, danach rollte das durch ein Räderwerk aufgezogene Trinkgefäss in unvorhersehbaren Bahnen über den Tisch. Das Gästepaar, vor welchem der fahrende Pokal stehen blieb, musste gleichzeitig den Mund zum Austrinken ansetzen: der Herr trank nach Abnahme des Hirschkopfes, die Tischnachbarin nach der des Hundekopfes. In der Zufälligkeit und Spannung, zu welchem Paar an der Tafel der Automat wohl hinfuhr und wie geschickt es dann den Wein zu trinken vermochte, lag der besondere Reiz des Spiels. *1

GOLDSCHMIEDEZENTRUM AUGSBURG

Im Goldschmiedezentrum Augsburg fand gerade in diesen Automaten die Verbindung von qualitätvollem Goldschmiedehandwerk, grosser bildhauerischer Tradition und wohl entwickelter Uhrmachertechnik zur glücklichen Synthese. Diese Augsburger Kleinskulpturen verarbeiteten Einflüsse aus allen Himmelrichtungen. Einerseits gelangte eine grosse Zahl aus Italien importierter Kunstwerke in die Stadt, andererseits gingen Augsbuger Künstler oder dort beschäftigte Meister selbst in den Süden und wurden dort Mitarbeiter der bedeutendsten Werkstätten. Es seien Adrian de Fries und Hans Reichle genannt, die bei Giambologna in Florenz ihre Erfahrungen sammeln konnten. Als „Erfinder" der Komposition der Diana auf dem Hirschen kann der Augsburger Goldschmied Matthias Walbaum gelten, der an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert die ersten Beispiele solcher Diana-Gruppen schuf. Jakob I. Miller und Joachim Fries fertigten etwa ab 1610 eigene Varianten dieses Typus an. Regensburg galt ebenso bis ins 18. Jahrhundert als eine der führenden Zünfte der Gold- und Silberschmiedekunst. Eine teilvergoldete Silberarbeit von Paulus Aettinger d.Ä., ursprünglich aus der Sammlungen Baron Lionel de Rothschild und Baron Alfred de Rothschild, kann man heute in der privaten Sammlung Würth in Baden-Württemberg bewundern.

Von besonderer Bedeutung am Diana-Trinkspiel der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, das 2009 durch Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein von der Galerie Neuse in Bremen angekauft wurde, ist das im originalen Zustand erhaltene Laufwerk, das noch voll funktionstüchtig ist: Sobald das Federwerk aufgezogen ist, bewegt sich der Automat nach Betätigung eines Entriegelungshebels über die Tafel nach einer Strecke von circa 60 cm verändert er, von einem schwenkbaren Steuerrad gelenkt, die Laufrichtung um 90 Grad, sodass das Trinkspiel nach viermaliger Richtungsänderung auf der Tafel annähernd ein Quadrat zurücklegt. *2

AUTOR: Prof. Ali Meyer | zitierter Text | issued by IN VINO VERITAS
*1-ZITAT: © Historisches Museum Basel
*2-TEILZITAT: © findART | www.altertuemliches.at | Presse 08.08.2009 | completed by IN VINO VERITAS
BILD oben rechts: © Historisches Museum Basel | Trinkautomat mit Diana auf dem Hirsch | Joachim Fries | Augsburg 1610/15
BILD Panorama: © Fürstliche Sammlung Liechtenstein | Trinkautomat mit Diana auf dem Hirsch | Joachim Fries | Augsburg 1610/12 | Ausschnitt Hunde

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