Dienstag, den 19. März 2024

FRAG DEN WINZER

Frag den Winzer: Eigentlich sollten sie am besten wissen was so los ist. Mitteilsames verschiedener Ausprägung. Ob das nun gute oder schlechte Nachrichten sind, uns nachdenklich macht bzw. uns zum Lachen veranlasst oder unser Wissen bereichert – es ist von jedem etwas im „Fass oder der Flasche“.

IN VINO VERITAS bringt einen periodischen Gastkommentar. Wir veröffentlichen einerseits einen „Geradeaus-Kommentar“ von namentlich Genannten aus der Branche. Aber es wird andererseits auch den einen oder anderen „Anonymus-Kommentar“ geben. Der fährt vermutlich etwas schärfer vom Weingarten in den Keller, um dabei – wie versprochen – auch hier den investigativen Journalismus nicht auszulassen. Das ist uns wichtig.

BILD: Gastkommentar | IN VINO VERITAS | Der Neue Weinbau 4.0

IN VINO VERITASGASTKOMMENTARE DER BERUFENEN
ÖSTERREICHISCHE WEINKULTUR
ANONYMUS

Was ist wo los? Im unteren FRAG DEN WINZER-LEITFADEN » berichten die Berufenen mit Gastkommentaren.


Hier schreibt eine bekannte Persönlichkeit aus der Branche. Sie weiß vieles und sagt alles – außer ihrem Namen:

ES WIRD WEIN SEIN .....

„Es wird ein Wein sein und wir werden nicht mehr sein.“ So lautet der Text des bekannten Liedes von Prof. Ludwig Gruber, berühmt geworden vor allem durch die Interpretation von Hans Moser. Diese Prophezeiung wird vermutlich eintreffen – wenngleich darin keine Auskunft darüber gegeben wird woher der Wein stammen soll.

Der Weinbau in Österreich hatte in den letzten Jahren zunächst an zunehmender Bürokratie zu leiden und die Betriebsführer hatten mit praxisfremden Vorschriften bei der Bewirtschaftung zu kämpfen, ein Teil der Betriebe wurde daher von der jungen Generation nicht mehr übernommen und geschlossen. In der Folge kam ein höherer Infektionsdruck durch bislang nicht bekannte Virosen und Schädlinge dazu. Als Beispiel seien hier die explosionsartige Vermehrung der Pilzkrankheit Esca und die durch Zikaden übertragene Krankheit Stolbur genannt, diese verursachen bereits Totalausfälle in Rebkulturen.

Das Ausmaß wird in kurzer Zeit mit der Reblausepedemie des letzten Jahrhunderts vergleichbar sein. Teilweise fehlt es an Behandlungsmöglichkeiten, manchmal dürfen vorhandene Mittel aus Umweltschutzgründen auch nicht verwendet werden. Hier erscheint ein Vergleich mit dem aktuellen Corona-Virus angebracht, gegen das es bislang keine aktive Behandlungsmöglichkeit gibt. Es würde jedoch niemand auf die Idee kommen, die nun praktizierte Maskenpflicht aus Gründen des Umweltschutzes (was passiert mit den Millionen Einwegmasken?) zu kritisieren.

Die Welt ist ein wenig durcheinander gekommen, alle bisherigen Werte und Erfahrungen sind durch die Vorkommnisse in den letzten Monaten als beinahe unbrauchbar zu beurteilen. Das im letzten Bundespräsidentenwahlkampf von einem Kandidaten vorgebrachte Orakel „Sie werden sich noch wundern was alles möglich sein wird“ kann nunmehr als erfüllt angesehen werden. Durch Corona ist die prekäre Wetterproblematik ein wenig vergessen worden. Die Beeinträchtigung durch Trockenheit, Hagel und Frost ist massiv und bereits allein für sich gesehen existenzgefährdend.

Die Niederschlagsmengen im ersten Quartal sind im Vergleich zum ebenfalls trockenen Vorjahr landesweit wieder gesunken. Zusätzlich ist in den letzten Wochen ein bisher verdrängtes Problem zu Tage getreten. Österreich hat sich von einem Produktionsland zu einem Konsumland gewandelt. Die Folge ist ein Mangel an Arbeitskräften. Durch die Schließung der Grenzen durch die nationalen Staaten ist schmerzlich bewußt geworden, dass Wein-, Obst- und Gemüsebau in diesem Land ohne „importierte“ Arbeitskräfte nicht möglich ist. Bei einer anderen Gelegenheit könnte man darüber lachen wenn man als Winzer in dieser Krise tatsächlich gefragt wird ob man jetzt auch Home-Office betreibt.

Es stellt sich nun die provokante Frage ob es wirklich notwendig ist, die Arbeitskräfte bei uns „auszubeuten“. Wäre es nicht besser, Wein (wie sehr viele andere Produkte auch) in Ländern in denen Produktion noch erwünscht ist, sich Konsumenten durch Traktore nicht belästigt fühlen und notwendige Arbeitskräfte verfügbar sind zu erzeugen. Im Unterschied zu Milch muss Wein nicht verbrauchernah erzeugt werden, der Transport stellt kein Problem dar. Schon heute wird Wein ohne jegliche Qualitätsbeeinträchtigung aus Südafrika, Australien, Neuseeland und Kalifornien nach Europa gebracht. Noch provokanter: Mit Segelschiffen kann dieser Transport sogar Co2-neutral vorgenommen werden; an Deck eines Frachters wäre sogar noch Platz für diverse Aktivisten und könnte zahlungskräftige Urlauber als Retourfracht mitnehmen. Es spricht also objektiv nichts gegen Weinproduktion in China. Mit guter Technologie können „Winemaker“ auch dort hervorragende Weine „maken“, geschmacklich wird es keinen Unterschied geben. Das ist keine Utopie, bereits heute gehört China zu den drei größten Weinproduzenten weltweit.

Man wird sehen, ob das durch Corona bedingte Credo auf die heimische Produktion mit den ersten in die Karibik startenden Flugzeugen wieder als kurzfristiges Strohfeuer zu beurteilen ist oder ob tatsächlich ein langfristiges Umdenken stattgefunden hat. Es wäre schön würde das alte Kulturgut „Wein aus Österreich“ im wahrsten Sinne des Wortes „kost-bar“ bleiben und sich trotz Lärm und Staub bei der Produktion der Wertschätzung der Konsumenten erfreuen! In diesem Sinne frei nach Wilhelm Busch: „Er hebt das Glas und leert den Rest, weil er nicht gern was übrig lässt.“

Auf den hervorragenden 19er Jahrgang. Prost!

KOMMENTAR: Anonymous Comments | issued by IN VINO VERITAS

 

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