LINKS
ODER RECHTS
TRINKRITUALE IM SPIEGEL DER ZEIT
Bereits die im Alten Testament beschriebene Begrüßung mit
Brot und Wein als einer der ältesten Trinkbräuche der Menschheit
erzählt von Trinkritualen zu jemandes Ehren. Die schlechte Wasserqualität
in den Städten des Mittelalters bedeutete eine hohe Keimbelastung.
Durch den keimtötenden Alkohol konnte der Genuss alkoholischer
Getränke mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko verbunden
werden, zumindest das Wasser betreffend. Die hohe Wahrscheinlichkeit
von Infektionen wurde erheblich verringert. Dadurch wurden Wein und
Bier zum Volksnahrungsmittel dieser Zeit. Im Spätmittelalter und
der beginnenden Frühen Neuzeit kam es in der Folge zu Rekordhöhen
des Alkoholverbrauchs im europäischen Raum. Natürlich entstanden
dadurch entsprechende Saufgelage. Wegen des sozialen Zwangs zum Zutrinken
arteten diese Alkoholexzesse mehrheitlich zum Rauschtrinken aus. Solche
Gelage betiteln wir in unseren modernen Zeiten als Komasaufen. Herrscher
vergangener Epochen schützten sich bei den Getränken (wie
auch Speisen) mit einem Vorkoster vor einem etwaigen Giftmord. Dienstboten
mußten aber auch stellvertretend für ihre Herren anderen
zutrinken, damit der Herrscher selbst nicht zu früh dem Rausche
anheimfiel. Der deutsche Schriftsteller Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
berichtete, wie ihm beim Zutrinken oft „der Angstschweiß
ausbrach; doch es musste gesoffen sein“. Die erforderliche
gesetzliche Reglementierung bildete sich im Zechrecht ab. Bis in das
18.Jahrhundert hielten sich derartige (Un)Sitten zum Umtrunk, zumindest
teilweise. Der Ausdruck Schmollis ist bereits vor 1795 belegt. Er ist
ein Zuruf unter Studenten – verbunden mit der Aufforderung Brüderschaft
zu trinken. „Niemand darf sich weigern, die ihm diktierten
Gläser, oder einen Schmollis auszutrinken, und sollte sich der
Magen auch schon zehnmal umgewandt haben.“ […] „Das
Wort Schmollis leiten einige ab von dem alten Schmollen, d.h. sich aufblasen,
sich groß machen, wenn man nehmlich andre zu Boden trinken kann.
Schmollen heist auch hier und da: anhaltend zürnen, unwillig seyn.
Diese Bedeutung aber geht uns hier nichts an. – Andere behaupten,
daß es von „Schmal aus“, rein aus, herkomme, woraus
hernach Schmal us, und endlich Schmollus und Schmollis geworden sey.
Ein Schmollis trinken heiße also. Das Glas bis auf den lezten
Tropfen ausleeren.“ | *1
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Stieß man einst nur mit alkoholischen Getränken an –
ist das heute längst passé. Das ist natürlich eine
Frage der Höflichkeit. Wasser-, Wein-, Bier- bzw. Cocktailgläser
- für jedes Getränk nimmt man an und für sich das passende
Glas. Es unterstützt die richtige Form Geschmack und Frische des
Inhalts. Manchmal ist aber das (falsche) Behältnis der Situation
geschuldet. Wird völlig stillos mit Plastik- oder Pappbechern angestoßen,
dürfen sich nur die Handrücken berühren, nicht aber die
Becher. Brauchtum und Aberglaube bestimmen den Vorgang des Trinkens.
Aus Angst vor Unglück setzen viele Italiener ihr Glas vor dem Trinken
noch einmal auf dem Tisch ab. Interessant ist die sogenannte Links-
oder Rechtsregel. „Mit der Linken wird gesoffen, mit der Rechten
wird geschossen!“ Bei der Parforce-Jagd steigen die Reiter
nicht ab. Der sogenannte Satteltrunk wird den Reitern im Sattel sitzend
kredenzt. Dabei hält man das Pferd dann regelkonform mit der tiefen
rechten Hand am Zügel unter Kontrolle. Logischerweise kann man
dann nur mit der Linken trinken. Dabei ist es völlig unerheblich
ob du Links- oder Rechtshänder bist, wenn du die Traditionen pflegst.
Das sogenannte Falsche resoltiert immer – entweder aus Ignoranz
der Überlieferung – wie nur zu oft auch aus völliger
Unwissenheit. Alter Herkunft ist auch der Brauch „Waidmannsheil“
mit dem Becher in der linken Hand darzubringen. Aberglaube, Magie und
Religion in der Jagd sind sehr ausgeprägt. Dazu gibt es im kommenden
Frühjahr 2022 einen eigenen Bericht. Und wie ist das wenn´s
im Glas´l wieder stürmt? Aufgrund des Gärungsprozesses
darf der abgefüllte Sturm, der vergorene Traubenmost, niemals luftdicht
verschlossen werden. Den Sturm begleiten zahlreiche Rituale. So darf
das Glas ausschließlich nur mit der linken Hand gehoben werden,
sagt man aucht nicht Prost sondern Mahlzeit. Anzustoßen ist tabu,
da der Sturm ja ein noch nicht voll ausgereifter Wein ist. Und wie ist
das mit dem Bruderschaftstrinken? Heutzutage trinkt man dabei aus je
einem Behältnis. Mit den die Gefäße haltenden Armen
greift man jeweils durch die Armbeuge des anderen. Nach einem Schluck
gibt man sich danach einen Kuss. Das je nach Vertrauheit oder Wagnis
auf die Wange oder auf den Mund. Final kannst du es wie die Spanier
halten: „Arriba, abajo, al centro y pa‘ dentro“
– nach oben, nach unten, zur Mitte und dann rein damit.
AUTOR: © Prof. Ali Meyer | IN
VINO VERITAS
*1-ZITAT: Christian Friedrich Gleiß
| Autor | 1780 | Nikolaus Balger | Übersetzer und Kommentator | 1798
BILD oben rechts: Couleurbild
von Georg Mühlberg | „Schmollis antragend“ | Postkartenmotiv
um 1900
BILD Panorama: © Ali Meyer | Kaiser
Franz Joseph I. von Österreich - Jagd bei Gräfin Larisch in
Schlesien | Emil Adam | 1880 | KHM Wien
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