OTHMAR
VON ST. GALLEN
SCHUTZPATRON DER WINZER
Um 830 verfasste der St. Gallener Diakon Gozbert die Vita sancti
Otmari, welche von Wahlafrid Strabo 834 bis 838 überarbeitet
wurde. Aus dem 9. bis 12. Jahrhundert sind über 20 Handschriften
dieser Vita bekannt. Darin wird berichtet, dass man den Leib des 759
verstorbenen Othmar von St. Gallen 10 Jahre nach seinem
Tod unverwest fand und nach St. Gallen überführte, wo sich
heute sein Grab befindet. Der Weg führte per Schiff über den
Bodensee. In der Vita sancti Otmari beschreibt Wahlafrid Strabo:
„Die Brüder stießen vom Ufer ab und vertrauten
sich den unsicheren Gewalten des tiefen Sees an. Gleich darauf brach
ein solcher Ansturm von Regen und Winden ein, dass sie kaum an ein Entrinnen
glaubten. Doch durch die wunderbare Fügung des allmächtigen
Gottes geschah es, dass sogar die Elemente wahrnahmen, welch großen
Mannes Reliquien dort überführt wurden. Denn der See, der
ringsum vom regenschweren Unwetter aufgewühlt war und seine Wellen
hoch aufwarf, bereitete den Ruderern überhaupt keine Mühe,
sondern wohin immer das Schiff kam, vertrieb es die Winde und zerdrückte
die heranbrausenden Fluten. Kein einziger Tropfen des allüberall
heftig niederprasselnden Regens fiel ein. Sogar die Kerzen, die zu Ehren
des seligen Vaters beim Haupt und den Füßen hingestellt worden
waren, verloren ihr anfängliches Licht solange nicht, bis sein
Leichnam in das Kloster getragen wurde. […] Noch ein anderes Wunder,
das der Herr bei derselben Überführung des heiligen Leibes
den frommen Brüdern offenbarte, bleibt zu erzählen. Als sie
sich nämlich, ermüdet von der übermäßigen
Anstregung des Ruderns, bei Anbruch der Essenszeit nach dem Lobgebet zusammensetzten,
um durch körperliche Nahrung wieder Kräfte zu gewinnen, gedachten
sie schließlich, dem gesegneten Mahl einen köstlichen
Drunk beizufügen. Doch der Diener sagte, an Getränken sei
schon nichts mehr übrig außer dem, was in einer kleinen Flasche
aufbewahrt wurde; davon könnte aber jedem eher nur zum Kosten als
zum Trinken verabreicht werden. Da gedachten sie der Wunder des Herrn,
wie er mit wenigen Broten zahlreiche Menschenmassen gespeist habe, und
ließen vom wenigen, das sie hatten, allen Anwesenden mit Liebe
spenden. Und in wunderbarer Weise begann die Trinksame im Gefäß
so zu wachsen, dass sie trotz ständigem Ausschenken um nichts abzunehmen
schien. Erstaunt ob der unerhörten Neuigkeit, brachten sie dem
Herrn und Geber alles Guten, der ihnen so wunderbar Genügen gewährte,
Lob und schuldigen Dank dar.“
Später wurde das Gefäß als Fässchen und das Getränk
als Wein interpretiert, seither wird der Hl. Othmar oft mit einem Weinfässchen
als Attribut dargestellt. Die Zunftfahne der Weinhauer in der Kirche
St. Othmar in Mödling zeigt den hl. Othmar mit Weinfässchen.
Der hl. Othmar ist der Schutzpatron der Mödlinger Weinhauer.
In einer Verordnung des Kaisers Ferdinand III. aus dem Jahr 1655 ist
zu lesen:
„Wir Ferdinand III. von Gottes Gnaden ... […] Wir bekennen
öffentlich mit diesem Brief und tun kund, dass zu uns gekommen
sind unsere getreuen Untertanen, die gesamte Hauerinnung von Mödling
und berichten uns allergehorsamst, dass vor fast 200 Jahren und uralten
Zeiten ihre Vorfahren, wie aus uralten vorhandenen Schriften und Bildern
zu sehen, ihre ordentliche Zöch, Innung und Zusammenkünfte,
auch den heiligen Gottesdienst gehalten und den heilgen Abt Othmar als
ihren Schutzpatron gehabt haben. […] Alle Hauer haben mit ihrer
Zöchfahne zu erscheinen und mit gebührender Andacht teilzunehmen
und in der Lade 1 S zu erlegen. Wer fernbleibt, hat als Strafe 2 Pfund
Wachs in die Zöchlade zu erlegen. […] Der zum Schutzpatron
erwählte Abt Othmar soll es weiter bleiben und sein Festtag, der
16. November, soll mit Hochamt gefeiert werden.“
BILD: © ST. OTHMARE
| ORA PRO NOBIS | 1755 | ZUNFTFAHNE | OTHMARKIRCHE | MÖDLING
BILD: © EDGAR STRASSER | Winzerumzug
in St. Anna am Aigen | Steiermark | 2019
weiterblättern
zur nächsten Seite SUB ROSA DICTUM - VERSCHWIEGENHEIT
»