IM KAFFEESATZ LIEGT DIE WAHRHEIT
Kaffeesatz lesen ist – wie manches aus der Hand lesend vorausgesagt wird – ein Ritual, zumindest für jene die daran glauben. Für mich ist das eine Metapher, denn die weltumspannende Bohne kann nicht nur Geschichten erzählen, hat sie mitunter nur zu oft Geschichte geschrieben. Denken wir an die Hochburgen der französischen Revolutionäre – an die Pariser Cafés. Im Café Procope trafen sich Jean Paul Marat, Maximilien de Robespierre, Georges Danton, Jacques-René Hébert und Camille Desmoulins, um bei Kaffee und Wein über die aktuelle Situation zu diskutieren. Denken wir an die Treffpunkte der Literaten, Musiker und Maler in Wiener Kaffeehäusern. Zum Stammpublikum der Kaffeehausszene gehörten die Schriftsteller Alfred Adler, Peter Altenberg, Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Hermann Broch, Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Anton Kuh, Robert Musil, Leo Perutz, Ernst Polak, Alfred Polgar, Joseph Roth, Felix Salten, Arthur Schnitzler. Friedrich Torberg und Franz Werfel, aber auch Maler, wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka, die Architekten Adolf Loos und Otto Wagner und die Komponisten Franz Lehár und Alban Berg.
> | „Das Wiener Kaffeehaus stellt eine Institution besonderer Art dar, die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist. Es ist eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann“.
„So wussten wir alles, was in der Welt vorging, aus erster Hand, wir erfuhren von jedem Buch, das erschien, von jeder Aufführung und verglichen in allen Zeitungen die Kritiken; nichts hat so viel zur intellektuellen Beweglichkeit des Österreichers beigetragen, als dass er im Kaffeehaus sich über alle Vorgänge der Welt umfassend orientieren und sie zugleich im freundschaftlichen Kreise diskutieren konnte. Täglich saßen wir stundenlang, und nichts entging uns. Denn wir verfolgten dank der Kollektivität unserer Interessen den orbis pictus der künstlerischen Geschehnisse nicht mit zwei, sondern mit zwanzig und vierzig Augen (…)“ < |*Zitat
AUTOR: © Prof.
Ali Meyer
*ZITAT: © Stefan Zweig | „Die
Welt von Gestern“ | rückblickend auf seine Jugendjahre
im Kaffeehaus