Donnerstag, den 28. März 2024

ARTE PER TUTTI – Kunst für Alle

2023 darf das Kellergassenfest „Kunst & Wein“ in Haugsdorf im Weinviertler Pulkautal das 30 jährige Jubiläum feiern. Eine Auswahl von Künstlern – Maler wie Bildhauer – aber auch Autoren, Musiker und junge Schauspieler präsentieren jährlich in der 2. Augusthälfte ihr künstlerisches Werk. Das hochkarätige Programm beinhaltet Ausstellungen im Keller, Autorenlesungen im Presshaus und Konzerte unter dem Sternenhimmel. Es ist spannend wenn diese Presshäuser und Kellerröhren für ein Wochenende in Galerien und Bühnen, in einen Literaturkeller samt Buchhandlung, in eine Weinbar und in ein Kellercafé umgestaltet werden. Der Eintritt zu den Ausstellungen und Lesungen ist frei. Ein durchgehender Heurigenbetrieb ist gewährleistet, denn neben der Kunst wird auch Wein und Essen gereicht – ist es zudem ein großes Kulinarium.

BILD: © Kunst & Wein | Haugsdorf

IN VINO VERITASMYTHOLOGIE
DIE KUNST DER MALEREI

Was ist wo los? Im unteren ARTE PER TUTTI-LEITFADEN » findet man KUNST FÜR ALLE. Ausgehend von der Mythologie – in hochinteressante Sphären gehend – bis zu Ideen der Zukunft – alles rund um das Kulturgut Wein und sein Umfeld.


MYTHOLOGIE – TRIUMPHZUG DES BACCHUS

BILD oben: © Ali Meyer | Triumphzug des Bacchus | Maerten van Heemskerck (1498-1574) | Ölgemälde um 1536/1537 | KHM Wien / Gemäldegalerie

Der griechische Gott Dionysos oder Bakchos (beziehungsweise sein römisches Pendant Bacchus) galt als Eroberer Asiens, so in Euripides' Bakchen, wo er nach Theben heimkehrt, nachdem er Lydien für seine Verehrung gewonnen hat. Mit ihm verband sich die Vorstellung einer friedlichen Invasion und Zivilisierung des Ostens, indem der Gott und sein Gefolge in einem eigentlichen Triumphzug selbst Indien (das Ende der bekannten Welt) mit dem Thyrsos anstelle des Speers und mit Fest- anstelle von Schlachtmusik überwanden und dort den Wein und seine Wohltaten einführten.

In der Antike und in der Frührenaissance wird Bacchus nicht nur als Gott des Weines und der Festfreude angesehen, sondern auch als der Erfinder des Triumphes. Auf dem Gemälde von Maerten van Heemskerck aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien kehrt Bacchus, der antike Gott des Weines, im Triumphzug von Indien nach Griechenland zurück: der Panther und die dunkelhäutigen Begleiter deuten dies an. Der vom römischen Manierismus angeregte Figurenstil des Malers findet in diesem Bild, das wohl unmittelbar nach dessen Rom-Aufenthalt entstand, seinen vorläufigen Höhepunkt. Das Tolle, Humorvolle und Derb-Drastische vereinigt sich in diesem Bacchus-Zug mit antiker, wie glatt-polierter Nacktheit zu einer Wunsch-Phantasie des humanistisch gebildeten 16. Jahrhunderts. Die höfische Repräsentation in der Hochrenaissance bedient sich bereits eines anderen Formen- und Ideenapparates. Der Triumph des Gottes Bacchus wird zur Allegorie.

Nach dem Ende der griechisch-römischen Religionen wurde der Siegeszug des Dionysos erst wieder während der Renaissance im Zuge der Antikenrezeption aufgegriffen – ausgehend von Italien in der romanisierten Bezeichnung als Triumph des Bacchus. Lorenzo de Medici schrieb ein Lied Il trionfo di Bacco e Arianna, das wohl am Florentiner Karneval im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gespielt wurde. Der Gesang feierte den Genuss der Jugend und des Moments:

Quant’è bella giovinezza / che si fugge tuttavia! / Chi vuol essere lieto, sia: / di doman non c'è certezza. („Wie schön ist die Jugend / Die so schnell entflieht / Wer ausgelassen sein will, der soll es / Was morgen kommt, ist ungewiss.“)

BILD rechts: Bacchus & Ariadne | Annibale Carracci (1560-1609) | Deckenfresko Galleria | Palazzo Farnese Roma
BILD unten: Drinking Bacchus | c.1623 | Guido Reni (1575-1642) | Gemäldegalerie Alte Meister Dresden

Intensiv beschäftigte sich die Kunst des Barock mit dem Thema, das viele Möglichkeiten einer reichhaltig dynamischen Darstellung bot. Abgebildet wurden in wechselnden Zusammensetzungen Bacchus, Ariadne, das Gefolge aus Satyrn und Mänaden und auch der trunkene Silen auf seinem Esel, als Begleitobjekte der Triumphwagen, Raubkatzen als Zugtiere, Kronen aus Efeu oder Weinlaub, Weintrauben, Reben, Thyrsos, Doppelflöten, Hörner und Zimbeln, Schlangen, Elefanten und andere exotische Tiere, Weinschläuche, Krüge und Trinkschalen etc. Dabei dienten der Bildentwicklung neben den römischen und griechischen Quellen zu den Dionysossagen auch Beschreibungen der antiken Bacchanalien.

Trotz des mythologischen Apparats spielte in der langdauernden neuzeitlichen Beschäftigung mit dem Motiv dessen antike religiöse Bedeutung kaum noch eine Rolle. Unter dem Einfluss neuplatonischen Gedankenguts verschob sich der inhaltliche Schwerpunkt hin zum Triumph der göttlich verstandenen Liebe, für die sinnbildlich die Begegnung von Bacchus und Ariadne und deren Hochzeitszug stand, allerdings auch – wie bereits in Lorenzo de Medicis Gesang deutlich – hin zur Festfreude. Zunehmend rückte irdische Sinnlichkeit anstelle der ursprünglichen Transzendenz ins Zentrum des künstlerischen Interesses. Die Verweltlichung des Themas wird in Diego Velázquez’ Triumph des Bacchus (Los BorrachosDie Trunkenbolde) genannt – besonders weit geführt, wo Bacchus mitten in einem Gefolge von grobschlächtigen Bauern oder Soldaten sitzt, einer von diesen einen Weinlaubkranz aufgesetzt bekommt und zwei der Zecher dem Betrachter direkt ins Auge sehen. Das Bild erhält auf diese Weise eine ganz weltliche Gegenwärtigkeit. Triumph des Bacchus steht am Ende dieser Entwicklung nicht mehr im Zusammenhang mit etwas Göttlichem, sondern wird zum Begriff für die ausgelassene Trunkenheit nach dem Genuss von Alkohol. Der englische Schriftsteller John Evelyn bezeichnete den Londoner Frostjahrmarkt von 1683/84 mit seinem „Gesaufe“ als einen „bacchanalischen Triumph“.

QUELLEN: Gregor Weber: Der Triumph des Bacchus – Meisterwerke Ferrareser Malerei in Dresden, 1480-1620. Umberto Allemandi, Turin 2003, ISBN 88-422-1157-5 | Silke Köhn: Ariadne auf Naxos. Rezeption und Motivgeschichte von der Antike bis 1600, Verlag Utz, München 1999, ISBN 3-89675-660-5 | Martin Gesing: Triumph des Bacchus – Triumphidee und bacchische Darstellungen in der italienischen Renaissance im Spiegel der Antikenrezeption. Peter Lang, Frankfurt a. M. 1988, ISBN 3-631-40471-9 | Nonnos von Panopolis: Werke in zwei Bänden. (u. a. Epos Dionysiaka) Aus dem Griechischen übertragen und herausgegeben von Dietrich Ebener. Aufbau, Berlin / Weimar 1985

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