Donnerstag, den 25. April 2024

AUF DER JAGD

Die sogenannte Jägersprache lässt sich bis in das 7. Jahrhundert zurückverfolgen. Durch die Feudaljagd des Adels rund um Karl den Großen wurde sie zur richtigen Fachsprache der Jäger. Diese Weidmannssprache ist Bestandteil des jagdlichen Brauchtums. Es ist eine Standessprache, die sich in bzw. mit sehr bildhaften Ausdrücken darstellt. Der Wortschatz umfasste einmal runde 13.000 Begriffe, wo heutzutage wohl nur mehr die Hälfte bis ein Viertel davon im sprachlichen Umgang evident sind.

Nicht unerheblich ist der Gebrauch eines Teiles dieses Wortschatzes im Alltag. Man könnte z.B.: doch „Lunte riechen“ und „die Fährte aufzunehmen“ um „auf der Strecke zu bleiben“. Und da ist die der Weidmannssprache zugeordnete sehr bekannte Bezeichnung „Jägerlatein“. Damit sind übertriebene bis erfundene Erzählungen über Jagdabenteuer gemeint. „Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“ meinte einst schon Otto von Bismarck. Diese facettenreichen Geschichten rund um das Brauchtum sind aber interessant. Vieles auf unserem Teller stammt schließlich von der Jagd.

"Mit der Linken wird gesoffen, mit der Rechten wird geschossen!"

BILD: © Ali Meyer | P. Brueghel d.Ä. | Jäger im Schnee | KHM Wien

IN VINO VERITAS – AUF DER JAGD
TRINKBRÄUCHE
LINKS ODER RECHTS

Was ist wo los? Im unteren AUF DER JAGD-LEITFADEN » findet man facettenreiche Geschichten rund um das Brauchtum Jagd.


LINKS ODER RECHTS

TRINKRITUALE IM SPIEGEL DER ZEIT

Bereits die im Alten Testament beschriebene Begrüßung mit Brot und Wein als einer der ältesten Trinkbräuche der Menschheit erzählt von Trinkritualen zu jemandes Ehren. Die schlechte Wasserqualität in den Städten des Mittelalters bedeutete eine hohe Keimbelastung. Durch den keimtötenden Alkohol konnte der Genuss alkoholischer Getränke mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko verbunden werden, zumindest das Wasser betreffend. Die hohe Wahrscheinlichkeit von Infektionen wurde erheblich verringert. Dadurch wurden Wein und Bier zum Volksnahrungsmittel dieser Zeit. Im Spätmittelalter und der beginnenden Frühen Neuzeit kam es in der Folge zu Rekordhöhen des Alkoholverbrauchs im europäischen Raum. Natürlich entstanden dadurch entsprechende Saufgelage. Wegen des sozialen Zwangs zum Zutrinken arteten diese Alkoholexzesse mehrheitlich zum Rauschtrinken aus. Solche Gelage betiteln wir in unseren modernen Zeiten als Komasaufen. Herrscher vergangener Epochen schützten sich bei den Getränken (wie auch Speisen) mit einem Vorkoster vor einem etwaigen Giftmord. Dienstboten mußten aber auch stellvertretend für ihre Herren anderen zutrinken, damit der Herrscher selbst nicht zu früh dem Rausche anheimfiel. Der deutsche Schriftsteller Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen berichtete, wie ihm beim Zutrinken oft „der Angstschweiß ausbrach; doch es musste gesoffen sein“. Die erforderliche gesetzliche Reglementierung bildete sich im Zechrecht ab. Bis in das 18.Jahrhundert hielten sich derartige (Un)Sitten zum Umtrunk, zumindest teilweise. Der Ausdruck Schmollis ist bereits vor 1795 belegt. Er ist ein Zuruf unter Studenten – verbunden mit der Aufforderung Brüderschaft zu trinken. „Niemand darf sich weigern, die ihm diktierten Gläser, oder einen Schmollis auszutrinken, und sollte sich der Magen auch schon zehnmal umgewandt haben.“ […] „Das Wort Schmollis leiten einige ab von dem alten Schmollen, d.h. sich aufblasen, sich groß machen, wenn man nehmlich andre zu Boden trinken kann. Schmollen heist auch hier und da: anhaltend zürnen, unwillig seyn. Diese Bedeutung aber geht uns hier nichts an. – Andere behaupten, daß es von „Schmal aus“, rein aus, herkomme, woraus hernach Schmal us, und endlich Schmollus und Schmollis geworden sey. Ein Schmollis trinken heiße also. Das Glas bis auf den lezten Tropfen ausleeren.“ | *1

LINKS ODER RECHTS

Stieß man einst nur mit alkoholischen Getränken an – ist das heute längst passé. Das ist natürlich eine Frage der Höflichkeit. Wasser-, Wein-, Bier- bzw. Cocktailgläser - für jedes Getränk nimmt man an und für sich das passende Glas. Es unterstützt die richtige Form Geschmack und Frische des Inhalts. Manchmal ist aber das (falsche) Behältnis der Situation geschuldet. Wird völlig stillos mit Plastik- oder Pappbechern angestoßen, dürfen sich nur die Handrücken berühren, nicht aber die Becher. Brauchtum und Aberglaube bestimmen den Vorgang des Trinkens. Aus Angst vor Unglück setzen viele Italiener ihr Glas vor dem Trinken noch einmal auf dem Tisch ab. Interessant ist die sogenannte Links- oder Rechtsregel. „Mit der Linken wird gesoffen, mit der Rechten wird geschossen!“ Bei der Parforce-Jagd steigen die Reiter nicht ab. Der sogenannte Satteltrunk wird den Reitern im Sattel sitzend kredenzt. Dabei hält man das Pferd dann regelkonform mit der tiefen rechten Hand am Zügel unter Kontrolle. Logischerweise kann man dann nur mit der Linken trinken. Dabei ist es völlig unerheblich ob du Links- oder Rechtshänder bist, wenn du die Traditionen pflegst. Das sogenannte Falsche resoltiert immer – entweder aus Ignoranz der Überlieferung – wie nur zu oft auch aus völliger Unwissenheit. Alter Herkunft ist auch der Brauch „Waidmannsheil“ mit dem Becher in der linken Hand darzubringen. Aberglaube, Magie und Religion in der Jagd sind sehr ausgeprägt. Dazu gibt es im kommenden Frühjahr 2022 einen eigenen Bericht. Und wie ist das wenn´s im Glas´l wieder stürmt? Aufgrund des Gärungsprozesses darf der abgefüllte Sturm, der vergorene Traubenmost, niemals luftdicht verschlossen werden. Den Sturm begleiten zahlreiche Rituale. So darf das Glas ausschließlich nur mit der linken Hand gehoben werden, sagt man aucht nicht Prost sondern Mahlzeit. Anzustoßen ist tabu, da der Sturm ja ein noch nicht voll ausgereifter Wein ist. Und wie ist das mit dem Bruderschaftstrinken? Heutzutage trinkt man dabei aus je einem Behältnis. Mit den die Gefäße haltenden Armen greift man jeweils durch die Armbeuge des anderen. Nach einem Schluck gibt man sich danach einen Kuss. Das je nach Vertrauheit oder Wagnis auf die Wange oder auf den Mund. Final kannst du es wie die Spanier halten: „Arriba, abajo, al centro y pa‘ dentro“ – nach oben, nach unten, zur Mitte und dann rein damit.

 

AUTOR: © Prof. Ali Meyer | IN VINO VERITAS
*1-ZITAT: Christian Friedrich Gleiß | Autor | 1780 | Nikolaus Balger | Übersetzer und Kommentator | 1798
BILD oben rechts: Couleurbild von Georg Mühlberg | „Schmollis antragend“ | Postkartenmotiv um 1900
BILD Panorama: © Ali Meyer | Kaiser Franz Joseph I. von Österreich - Jagd bei Gräfin Larisch in Schlesien | Emil Adam | 1880 | KHM Wien

 

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