Freitag, den 29. März 2024

ALTE WELT vs. NEUE WELT

Der Wein als Getränk hat – neben seiner geschmacklichen und olfaktorischen Wahrnehmung – noch eine wirklich große gesellschaftliche Bedeutung. Er hält bei maßvollem und gemeinsamem Genuss – im wahrsten Sinn des Wortes – unsere Gesellschaft zusammen. Er offenbart eine enorme soziale Komponente.

Es ist noch nicht solange her, da oblag es Geschmacksdiktatoren und den sogenannten Weinpäpsten dem Konsumenten zu erklären, wo es langginge. Die globale Vernetzung unserer digitalen Welt mit ihren diversen Anwendungswerkzeugen, speziell jene der Neuen Medien gleich Facebook, Twitter, Youtube oder Pinterest, zeigt es auf: Die Weinwelt rückt immer näher zusammen. Mit bester Ausbildung, guter Technologie und einer Menge an Herz werden schon seit mehreren Generationen auch außerhalb Europas hervorragende Weine geschaffen. Und die Konsumenten haben viel gelernt.

Eigentlich müßte die Phrase durch ein Bindewort ersetzt werden und nun Alte Welt und Neue Welt heißen. Der möglicherweise als Kampfansage verstandene althergebrachte Begriff „versus“ – sollte zumindest den internationalen Wettbewerb beflügeln und zu noch höheren Qualitäten führen.

BILD: Die Welt | IN VINO VERITAS | Der Neue Weinbau 4.0

IN VINO VERITAS – DER WEINBAU EROBERT DIE WELT SERIE

Was ist wo los? Im unteren LÄNDER-LEITFADEN » findet man einen Auszug der Ursprünge und Orte des Kulturgutes Wein.


ENGLAND – EIN AUTOCHTHONES VOLK ?

BILD oben rechts: © Fayaz Mohammed | England | issued by IN VINO VERITAS

Die Römer versuchten in ihrer Provinz Britannien Wein nördlich von Lincolnshire anzubauen, wofür sich jedoch die Wetterbedingungen natürlich als zu kalt und auch zu feucht erwiesen. Trotzdem wurde der Weinanbau mit vierzig Weinbergen bis zu den Normannen fortgeführt. So zumindest ist es im Domesday Book erwähnt – dem „Buch des Jüngsten Tags“ – ursprünglich King’s Roll oder Winchester Roll. Es ist ein Grundbuch von England, das in lateinischer Sprache die Ergebnisse landesweiter Ermittlungen im 11. Jahrhundert dokumentiert. Britischer Wein wird in Südengland und in Südwales in kleinen Mengen hergestellt. Der Weinbau wurde vor allem durch die wärmeren Sommer in den letzten Jahren begünstigt. Da der Weinbau in England von den Folgen der globalen Erwärmung profitiert, ist eine großflächige Ausweitung der Rebflächen infolge Deregulierung denkbar.

„Als 'autochthon' bezeichnet man Rebsorten, die nahezu ausschließlich in einem bestimmten Gebiet durch natürliche Kreuzung oder Mutation entstanden sind und dort auf eine relativ lange Geschichte zurückblicken können. Sie haben sich in der langen Entwicklungszeit gut auf die Standortsverhältnisse eingestellt und erbringen meist nur unter diesen Bedingungen ihre beste Qualität.“ Mit diesen Worten beschreibt es die Österreich Wein Marketing. Man könnte sich davon abgeleitet mit einem Schuß Ironie die Frage stellen, ob die Briten im Ihrer Gesamtheit – betrachtet man die Bestrebung und Zielsetzung eines Brexit – als ein autochthones Volk betrachten darf? Der kommende Brexit hat neben dem Jubel unter seinen Befürwortern, massives Entsetzen in großen Teilen der Europäischen Union und zuletzt Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. Wie die kaufmännische Gebarung und der Handel im final exekutierten Brexit arbeiten kann, wird sich zeigen.

Die Briten haben zwar nicht sehr viele autochthone Delikatessen, diese aber sind weltweit äußerst bekannt – beispielweise von der Orange Marmelade zum Lemon Curd oder von Fish and Chips zum Roastbeef. Dem Anspruch diesem auch beim Wein gerecht zu werden, daran wird konsequent gearbeitet. Wir bringen hier einen gefälligen Querschnitt über den englischen Wein.

Blickt man auf die Kreidefelsen von Dover – erkennt man sofort was die südenglischen Weinbaugebiete mit der Champagne gemeinsam auszeichnet. Es stellt sich in der geologischen Formation des Pariser Beckens dar, welche die Champagne mit ihren mächtigen Kalksteinböden bietet. Genau das setzt sich von der britischen Südküste bis nach London fort. Genau in dieser Region sind 90 Prozent der britischen Weingüter mit ihren säurehaltigen Kalkböden beheimatet.

Als erstes französisches Champagnerhaus hat Taittinger direkt investiert und über ein Joint-Venture mit Namen „Franco-British-Alliance“ 69 Hektar Farmland in Kent gekauft. Unter dem Namen Domain Evremond sollen langfristig 300 000 Flaschen produziert werden. Zwei Jahre nach den ersten Pflanzungen auf dem neuen Weingut Domaine Evremond in Chilham, Grafschaft Kent, teilte Champagne Taittinger mit, daß die Arbeit fortgesetzt würde – mit weiterer im Mai 2019 gepflanzter 8,5 Hektar Rebfläche. Ein einziger Hektar Weinberg in England kostete 2014 durchschnittlich etwa 25.000 GBP, ist das vergleichsweise mit einem Hektarpreis des gleichen Jahres von 870.000 GBP in der Champagne fast ein Schnäppchen. Es war auf jeden Fall – neben der klimatischen Bedingung – ein guter Grund zur Investition. Immerhin hat die Schaumweinproduktion einen anerkannten und renommierten Höhenflug erreicht. Die English Wine Producers beziffern die anteilige Wein-Erntemenge für Schaumweine bei 66 %. Englische Sekte durften in den letzten 15 Jahren ganze acht Auszeichnungen als „Beste Internationale Schaumweine“ für sich verbuchen. War England auf dem Weg zur neuen Champagne? Hier wird der Brexit doch einiges beeinflußen.

BILD links: © Taittinger | Pierre Emmanuel Taittinger & Patrick McGrath MW | IN VINO VERITAS

In Großbritannien werden laut Wines of Great Britain (WineGB) mittlerweile über 500 Weinberge bewirtschaftet. Die Rebflächen der Britischen Inseln sind auf die Bereiche England und Wales begrenzt. Seit den 1950er Jahren erlebt englischer Wein nun einen – wie es die English Wine Producers nennen – wirtschaftlichen Neubeginn. Es ist der Klimaerwärmung zu verdanken das in den 1970er Jahren der Weinbau noch verstärkt aufgenommen wurde. Regionen wie Cambridgeshire, Suffolk und Sussex waren nun warm genug um Qualitätsweine zu gewährleisten. Mit 265 Hektar Gesamtrebfläche ist Denbies Wine Estate in der Nähe von Dorking das größte Weingut des Landes, was mehr als 10 Prozent der Anpflanzungen im gesamten Vereinigten Königreich entspricht. Die britische Weinanbaufläche hat sich innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Viele englische Weine haben bereits Weltklasseniveau erreicht. Einen kleinen Überblick erzählt uns die untere Decanter-Tabelle von 2015.

AUTOR: Prof. Ali Meyer

 

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