ENGLAND
– EIN AUTOCHTHONES VOLK ?
BILD oben rechts: © Fayaz Mohammed | England | issued by IN VINO VERITAS
Die Römer versuchten in ihrer Provinz Britannien Wein nördlich
von Lincolnshire anzubauen, wofür sich jedoch die Wetterbedingungen
natürlich als zu kalt und auch zu feucht erwiesen. Trotzdem wurde
der Weinanbau mit vierzig Weinbergen bis zu den Normannen fortgeführt.
So zumindest ist es im Domesday Book erwähnt –
dem „Buch des Jüngsten Tags“ – ursprünglich
King’s Roll oder Winchester Roll.
Es ist ein Grundbuch von England, das in lateinischer Sprache die Ergebnisse
landesweiter Ermittlungen im 11. Jahrhundert dokumentiert. Britischer
Wein wird in Südengland und in Südwales in kleinen Mengen
hergestellt. Der Weinbau wurde vor allem durch die wärmeren Sommer
in den letzten Jahren begünstigt. Da der Weinbau in England von
den Folgen der globalen Erwärmung profitiert, ist eine großflächige
Ausweitung der Rebflächen infolge Deregulierung denkbar.
„Als 'autochthon' bezeichnet man Rebsorten, die nahezu ausschließlich
in einem bestimmten Gebiet durch natürliche Kreuzung oder Mutation
entstanden sind und dort auf eine relativ lange Geschichte zurückblicken
können. Sie haben sich in der langen Entwicklungszeit gut auf die
Standortsverhältnisse eingestellt und erbringen meist nur unter
diesen Bedingungen ihre beste Qualität.“ Mit diesen
Worten beschreibt es die Österreich Wein Marketing. Man könnte
sich davon abgeleitet mit einem Schuß Ironie die Frage stellen, ob die
Briten im Ihrer Gesamtheit – betrachtet man die Bestrebung und
Zielsetzung eines Brexit – als ein autochthones Volk betrachten
darf? Der kommende Brexit hat neben dem Jubel unter seinen Befürwortern,
massives Entsetzen in großen Teilen der Europäischen Union
und zuletzt Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. Wie
die kaufmännische Gebarung und der Handel im final exekutierten
Brexit arbeiten kann, wird sich zeigen.
Die Briten haben zwar nicht sehr viele autochthone Delikatessen, diese
aber sind weltweit äußerst bekannt – beispielweise
von der Orange Marmelade zum Lemon Curd oder von Fish and Chips zum
Roastbeef. Dem Anspruch diesem auch beim Wein gerecht zu werden, daran
wird konsequent gearbeitet. Wir bringen hier einen gefälligen Querschnitt
über den englischen Wein.
Blickt man auf die Kreidefelsen von Dover – erkennt man sofort
was die südenglischen Weinbaugebiete mit der Champagne gemeinsam
auszeichnet. Es stellt sich in der geologischen Formation des Pariser
Beckens dar, welche die Champagne mit ihren mächtigen Kalksteinböden
bietet. Genau das setzt sich von der britischen Südküste bis
nach London fort. Genau in dieser Region sind 90 Prozent der britischen
Weingüter mit ihren säurehaltigen Kalkböden beheimatet.
Als
erstes französisches Champagnerhaus hat Taittinger direkt investiert
und über ein Joint-Venture mit Namen „Franco-British-Alliance“
69 Hektar Farmland in Kent gekauft. Unter dem Namen Domain Evremond
sollen langfristig 300 000 Flaschen produziert werden. Zwei Jahre nach
den ersten Pflanzungen auf dem neuen Weingut Domaine Evremond in Chilham,
Grafschaft Kent, teilte Champagne Taittinger mit, daß die Arbeit
fortgesetzt würde – mit weiterer im Mai 2019 gepflanzter
8,5 Hektar Rebfläche. Ein einziger Hektar Weinberg in England kostete
2014 durchschnittlich etwa 25.000 GBP, ist das vergleichsweise mit einem
Hektarpreis des gleichen Jahres von 870.000 GBP in der Champagne fast
ein Schnäppchen. Es war auf jeden Fall – neben der klimatischen
Bedingung – ein guter Grund zur Investition. Immerhin hat die
Schaumweinproduktion einen anerkannten und renommierten Höhenflug
erreicht. Die English Wine Producers beziffern die
anteilige Wein-Erntemenge für Schaumweine bei 66 %. Englische Sekte
durften in den letzten 15 Jahren ganze acht Auszeichnungen als „Beste
Internationale Schaumweine“ für sich verbuchen. War
England auf dem Weg zur neuen Champagne? Hier wird der Brexit doch einiges
beeinflußen.
BILD links: © Taittinger
| Pierre Emmanuel Taittinger & Patrick McGrath MW | IN VINO VERITAS
In Großbritannien werden laut Wines of Great Britain
(WineGB) mittlerweile über 500 Weinberge bewirtschaftet. Die Rebflächen
der Britischen Inseln sind auf die Bereiche England und Wales begrenzt.
Seit den 1950er Jahren erlebt englischer Wein nun einen – wie
es die English Wine Producers nennen – wirtschaftlichen Neubeginn.
Es ist der Klimaerwärmung zu verdanken das in den 1970er Jahren
der Weinbau noch verstärkt aufgenommen wurde. Regionen wie Cambridgeshire,
Suffolk und Sussex waren nun warm genug um Qualitätsweine zu gewährleisten.
Mit 265 Hektar Gesamtrebfläche ist Denbies Wine Estate
in der Nähe von Dorking das größte Weingut des Landes,
was mehr als 10 Prozent der Anpflanzungen im gesamten Vereinigten Königreich
entspricht. Die britische Weinanbaufläche hat sich innerhalb weniger
Jahre verdoppelt. Viele englische Weine haben bereits Weltklasseniveau
erreicht. Einen kleinen Überblick erzählt uns die untere Decanter-Tabelle
von 2015.
AUTOR: Prof. Ali Meyer
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