VENDÉMIAIRE
– WEINLESEMONAT
DER FRANZÖSISCHEN
REVOLUTION
Die Zeitgeschichte hat beispielsweise manche Kalender hervorgebracht,
wo die „Woche“ auch zehn Tage hatte. Die zwölf Monate
des Republikanischen Kalenders der Französischen Revolution teilte
man jeweils in drei Dekaden zu zehn Tagen. Jeder einzelne Tag des Jahres
erhielt einen eigenen Namen. Am Jahresende wurden fünf bzw. in
einem Schaltjahr sechs Ergänzungstage, jours complémentaires,
angehängt, die als Feiertage galten. Primidi war der erste Tag
einer Dekade, fiel daher immer auf den 1., 11. und 21. eines Monats.
Beginnend mit der Vendémiaire, dem Weinlesemonat
vom 23. September bis 22. Oktober, dem ersten Monat des Revolutionskalenders,
wurden alle zwölf Monate nach dem Namenskatalog des Abgeordneten
Fabre d’Églantine in vier jahreszeitliche Gruppen eingeteilt.
Die Tagesnamen des Primidi sollten, wie die meisten anderen Tagesnamen,
landwirtschaftliche Nutzpflanzen sein. Nur im Nivôse, dem Schneemonat
vom 22. Dezember bis 20. Januar, dem vierten Monat des Republikanischen
Kalenders, in dem sollten die Tage nach Mineralen und Substanzen tierischen
Ursprungs benannt werden. Das Prinzip, außer im Nivose nur Pflanzennamen
zu verwenden wurde von der Nationalversammlung jedoch öfters durchbrochen.
Schon lange studierten die Bauern auf unserer Erde die Natur. Sie beobachteten,
das Pflanzen genau zu einer bestimmten Uhrzeit ihre Knospen treiben
und blühen. Sie entdeckten die Blumenuhr. Fabre d'Églantine,
französischer Dichter, Schauspieler, Dramaturg und Revolutionär
bemerkte: „Im Nivôse ist die Erde
versiegelt und gewöhnlich mit Schnee bedeckt. In dieser Zeit ruht
die Erde und es finden sich keine pflanzlichen Agrarprodukte, um diesen
Monat zu charakterisieren. Statt dessen haben wir Namen von Substanzen
aus dem Tier- und Mineralreich gewählt, die für die Landwirtschaft
nützlich sind.“ | *1
DIE UHREN GEHEN ANDERS!
Am 5. Oktober 1793 erklärte der Nationalkonvent – auf Grund
eines Antrags des Mathematikers Charles-Gilbert Romme – den Revolutionskalender
rückwirkend per 22. September 1792 für die offizielle Zeitrechnung
als bindend. Zudem verfügte man am 1. August 1793 mit Wirkung zum
1. Juli 1794 die Einführung einer am Dezimalsystem orientierten
Maß- und Währungseinheit. Der Tag sollte in zehn Stunden,
heure décimale, zu 100 Minuten, minute décimale, und zu
100 Sekunden, seconde décimale, eingeteilt werden. Aber bereits
1795 musste das Gesetz zur dezimalen Tageseinteilung ausgesetzt werden.
Die Rückkehr zum Gregorianischen Kalender erfolgte dann am 1. Januar
1806. Der letzte Tag, an dem der Revolutionskalender offiziell galt,
war der 10. Nivose XIV, der dem 31. Dezember 1805 entsprach. Rückwirkend
betrachtet, hat man sich dabei auch an die 10er Dekaden gehalten, d.
h. der Kalender der Revolution konnte die zweite Dekade an Jahren in
offizieller Funktion gerade mal beginnen und nicht vollenden. Jene Revolutionsuhren
mit einem in zehn Stunden eingeteiltem Ziffernblatt sind heute als extrem
teure Raritäten auf Auktionen ausfindig zu machen. Die grundsätzliche
Idee der französischen Revolutionäre, jede Religion von der
Zeitrechnung abzukoppeln, hat ein Tiroler Astrophysiker 2012 mit einer
sehr kühnen und verwegenen These vorgestellt, einem Kalender ohne
Jesus. Der Kalender des Ronald Weinberger verwirft die Geburt Christi
als Startpunkt und wählt stattdessen die am 21. Juli 1969 stattgefundene
Landung auf dem Mond als Fixpunkt für eine neue Zeitrechnung. Von
diesem Tage an, als Neil Armstrong den fremden Planeten betrat, zählt
Weinberger 200.000 Jahre zurück, bis zur Entstehung der Menschheit,
sozusagen als Nullpunkt. Das Jahr der Eroberung des Mondes von 1969
als konkreter Stichtag wäre bei ihm das Jahr 200.001 und wir wurden
uns derzeit beim Verfassen dieses Beitrages – 2014 – im
Jahr 200.045, mit der Kurzschreibweise im Jahr 2'045 befinden, zugleich
das Jahr 1435 des islamischen, 5775 des jüdischen und 2557 BE des
buddhistischen Kalenders schreiben. Ronald Weinberger: „Versuchen
wir uns einmal in einen Thailänder hineinzuversetzen, oder in irgendeinen
anderen Bewohner eines nicht-christlichen Erdteils. Dann wird klar,
wie sehr unsere jetzige Zeitrechnung christlich geprägt ist. Sie
wird von nicht wenigen Menschen auf der Welt als eine Zumutung empfunden.
Weshalb sollte man eine solche über die nächsten 100, 200
Jahre fortschreiben?“ | *2
Das Buch ist erstmals im Juli 2012 (Juli 2'043) mit dem Titel – Ist
unsere Zeitrechnung noch zeitgemäß? Die westliche Jahreszählung
ist anachronistisch und verdient(e) eine Neudefinition – erschienen.
Aber diese Vorschläge des Ronald Weinbergers, sein Homo-Kosmischer-Kalender,
HKK, fanden ohnehin nur bis zum 21. Dezember 2012 die ihm gebührende
Aufmerksamkeit, zumindest per mayanischer Definition zum Ende der Welt
oder den Beginn einer neuen Schöpfung. Der Triumph der Wissenschaft
über den Glauben wird wohl wiedereinmal als solches ausbleiben.
Fakt aber ist: Die Uhren gehen anders!
AUTOR: © Prof. Ali
Meyer | Auszug aus dem Buch AM SET MIT BIG BUDDHA | Kapitel „Die
Uhren gehen anders“ | 2014
*1-ZITAT: Philippe-Francois-Nazaire
Fabre (1750 - 1794) | französischer Dichter | Schauspieler | Dramaturg
und Revolutionär
*2-ZITAT: Ronald Weinberger (1948*)
| österreichischer Astronom | Studia Universitatsverlag | 2012
BILD mittig: © Bibliothèque
nationale de France | Französischer Revolutionskalender | 1794
BILD unten: © French public domain
| Vendémiaire, premier mois de l républicain | Tresca,
Salvatore (Graveur) – Lafitte, Louis (Dessinateur du modèle)
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